In drei Jahren kann sehr viel passieren: Ein Kind kommt in den Kindergarten, jemand macht seinen Bachelorabschluss, ein anderer verliebt sich und heiratet vielleicht, die nächste gründet ein Unternehmen und hat damit Erfolg. Was kann in dieser Zeit nicht alles in einem Land passieren, in dem etwa Bildung und Gesundheit im Fokus der Politik stehen? Und wie verhält es sich dagegen an einem Ort, welcher seit jeher zu den ärmsten in seiner Region gehört und in dem seit Jahren Krieg und Krankheit herrschen?

Dieser Text beschäftigt sich leider mit dem zweiten Szenario. In diesem Text geht es um den Jemen. Eine Chronologie der schwersten humanitären Krise unserer Zeit:

März 2015 – Der Schockmoment

Der 26. März 2015 hat das Leben von Millionen Jemeniten schlagartig verändert. Innerhalb von weniger als drei Stunden war der Himmel mit Flugzeugen bedeckt, Lärm breitete sich aus. Nach einem ersten Schock hofften die Menschen, dass alles am nächsten Morgen vorbei sein würde. Doch es kam anders. Drei Tage vergingen, es war immer noch Krieg. Drei Wochen vergingen, es war immer noch Krieg. Der Monate vergingen, es war immer noch Krieg. Am 26. März 2018 werden es drei Jahre sein, und es wird immer schlimmer.

Das Leben normaler Jemeniten steht seit 2015 still, es verharrt im Krieg. Die Straßen sind leer, viele Geschäfte und Märkte geschlossen.

Von Anfang an waren die Luftschläge massiv und schnell kamen auch Kämpfe am Boden hinzu. Innerhalb eines Monats mussten mehr als 1,8 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen, sie wurden zu Vertriebenen in ihrem eigenen Land.
Als der größte Flughafen des Landes wieder geöffnet wurde und man ein- und ausreisen konnte, schöpften die Menschen Hoffnung. Studenten und Schüler warteten nun darauf, dass auch Schulen und Universitäten ihren Betrieb wieder aufnahmen. Zum Teil geschah dies, doch auch heute noch besuchen 1,9 Millionen Kinder im Jemen keine Schule.

März 2016 -  Zusammenbruch der Wirtschaft

Als das zweite Kriegsjahr anbrach, begannen die Leute nach Wegen zu suchen, irgendwie zu überleben und mit den Grausamkeiten in ihrem Alltag  umzugehen. Sie lernten das Schlafen während Luftangriffen. Sie lernten zu lächeln und ihren Kummer zu verstecken. So fand jeder seine eigenen Mittel und Wege, mit dem Leben irgendwie weiterzumachen.
Die Luftangriffe und Bodenkämpfe gingen immer weiter und die Zahl der Binnenvertriebenen erreichte einen Wert von 2,8 Millionen, die meisten von ihnen Frauen und Kinder.

Die schlimme Lage fand ihren drastischen Höhepunkt, als der Flughafen in Sana’a erneut geschlossen wurde. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums starben etwa 10.000 Jemeniten, weil sie den Jemen nicht verlassen konnten, um im Ausland eine medizinische Behandlung in Anspruch zu nehmen. Wenn jemand sich in einem kritischen gesundheitlichen Zustand befindet, ist eine zwölf Stunden andauernde Reise mit vielen Stopps bis zum nächsten Flughafen in Aden nahezu unmöglich. Das zeigt auch  die Geschichte von Amira: Es war ihr nicht möglich, diese lange Reise nach Aden auf sich zu nehmen, da sie immer eine Sauerstoffflasche bei sich tragen musste. Oder die Geschichte von Ali, der seinen Sohn und seine Enkelkinder besuchen und sich einer medizinischen Behandlung unterziehen wollte. Während er auf die Öffnung des Flughafens wartete, verstarb er. Das sind keine Einzelschicksale. Es sind so viele geworden, dass sie nicht mehr zu zählen sind.

Auch das Streichen der Gehälter für Angestellte im öffentlichen Dienst hatte verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung des Landes. Etwa 1,2 Millionen Beamte konnten sich und ihre Familien nicht mehr versorgen.

Heute befinden sich mehr als acht Millionen Menschen am Rande einer Hungersnot. Woher sie ihre nächste Mahlzeit nehmen sollen, wissen sie nicht. Eine Mutter sagt uns: „Wir waren glücklich mit dem wenigen, was wir hatten. Jetzt haben wir nur noch ein Brot für mich und meine acht Kinder.“
Wie lange wird die Familie so noch weitermachen können?

März 2017 – Cholera

Als der Krieg in sein drittes Jahr ging, stieg der Bedarf an humanitärer Hilfe weiter an: Zu Beginn der Krise brauchten 14 Millionen Menschen Unterstützung, drei Jahre später sind es 22,2, Millionen. Das entspricht drei von vier Jemeniten. Neben dem großen Mangel an allem Lebensnotwendigen verbreiteten sich auch Krankheiten wie Malaria, Diphterie und das Dengue-Fieber rasend schnell. In 2017 brach weitflächig Cholera aus, etwa 50.000 Jemeniten waren innerhalb von drei Monaten erkrankt. Zum Ende des Jahres waren es schon eine Million, die größte Choleraepidemie unserer Zeit. Die Menschen im Jemen werden die Bilder der überfüllten Krankenhäuser und der Tausenden von Toten niemals vergessen – aber wird die Welt sich daran erinnern?

März 2018 – Wie geht es weiter?

Wir sind nun im vierten Jahr des Krieges im Jemen. Es liegt an den Konfliktparteien, politischen Entscheidungsträgern und der internationalen Gemeinschaft, diesen Krieg zu beenden. Sollte es so weitergehen wie bisher, wird das Land weiter an Hunger, Zerstörung, Krankheit und Tod zugrunde gehen. Das wird alles sein, woran man sich erinnert, wenn man den Namen „Jemen“ hört. Das ist es aber nicht, was dieses Land verdient.

Bitte spenden Sie für unsere Hilfe im Jemen!

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