„Es war Winter. Die Woche hatte gerade erst begonnen. Ich mochte die Schule. Samstag war mein Lieblingstag, weil wir dann zwei Stunden Naturwissenschaften hatten – mein Lieblingsfach. An diesem Tag spielte ich mit meinen Freundinnen Verstecken. Wir hatten so viel Spaß! Darüber vergaß ich ganz die Zeit und musste nach Hause rennen, weil ich sonst zu spät gekommen wäre.

Als ich ankam, saßen meine Eltern gerade beim Mittagessen. Sie waren in eine Diskussion vertieft, das Thema schien ernst zu sein. Mein Vater bat mich, mich zu setzen. Ich saß auf dem Boden, das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich wusste sofort, dass etwas verkehrt war. Leise fragte ich meinen Vater, ob alles in Ordnung sei. Er antwortete: ‚Ja, es ist alles gut. Wir haben großartige Neuigkeiten. Du wirst in zwei Wochen heiraten.

Der Satz stand im Raum. Ich war zuerst erleichtert, dass er mir keinen Vorwurf machte, weil ich so spät heim gekommen war. Trotzdem fühlte ich mich auch plötzlich nicht mehr wohl in meiner Haut. Ich war gerade einmal zwölf Jahre alt. Was ich damals mit einer Heirat verband? Wohl ein wunderschönes weißes Kleid, eine Feier mit allen Freunden und Bekannten, und natürlich Geschenke. Damals wusste ich noch nicht, dass eine Heirat auch bedeutete, alle meine Träume und Ziele aufzugeben, vor allem aber meine Kindheit!

Fatimas Geschichte erzählen viele Frauen, vor allem in der Region Hajjah im Nordwesten des Jemen. 85 Prozent der Mädchen verlassen die Schule dort im Alter zwischen elf und fünfzehn Jahren.Viele heiraten oder müssen ihren Eltern beim Wasserholen und Holzsammeln helfen; eine kräftezehrende Aufgabe. Wenn sie die Grundschule beendet haben, können viele Mädchen keine höhere Schule besuchen, weil diese zu weit weg sind. Der Weg würde selbst mit dem Motorrad eine Stunde dauern. Das erlauben viele Eltern ihren Töchtern nicht.

 

Verantwortung übernehmen
 

Nach der Hochzeit musste Fatima feststellen, dass es mit einem weißen Kleid und dem Verlassen des Elternhauses noch lange nicht getan war:
„Heiraten bedeutet eine Menge Verantwortung, die nicht auf einem zwölfjährigen Mädchen lasten sollte. Nachts habe ich oft geweint. Ich vermisste meine Schule, die Freunde und das Spielen im Garten neben unserem Haus. Zwei meiner Freundinnen wurden kurz nach mir verheiratet, später auch die anderen. Bei jeder Hochzeitsfeier zerbarst mein Herz in tausend Splitter, weil ich Kindern dabei zusehen musste, wie sie urplötzlich erwachsen wurden”, erzählt Fatima.

Nach Kriegsbeginn verlor Fatimas Mann seinen Job und reiste in die Stadt, um dort nach einer Anstellung als Fahrer zu suchen. Er starb bei einem Autounfall. „Mein Herz schmerzt immer noch, wenn ich an ihn denke”, sagt Fatima. Heute ist die 25-Jährige verwitwet und muss sich alleine um ihre fünf Kinder kümmern. „Manchmal fühle ich mich einsam und schwach. Fünf Kinder großzuziehen ist keine leichte Aufgabe. Aber ich habe ein Ziel. Ich muss stark sein, damit ich meine Kinder richtig erziehen kann. Ich möchte, dass sie lernen, in ihrem Leben nach Frieden und Bildung zu streben.

 

Neue Hoffnung
 

Fatima hat ein neues Kapitel in ihrem Leben aufgeschlagen. Sie arbeitet als Freiwillige für CARE und schult die Dorfbewohner von Al Shagadara zum Thema Hygiene. Mehr als 770.000 Cholera-Verdachtsfälle gibt es derzeit im Jemen – die höchste Zahl, die jemals innerhalb eines Jahres festgestellt wurde. Mehr als 2.100 Menschen sind bereits an der Krankheit gestorben, viele von ihnen in der Region, in der Fatima arbeitet. „Wir bringen den Frauen bei, wie sie ihre Hände vor dem Kochen waschen müssen und wie wichtig es ist, Obst und Gemüse und auch die Kochutensilien vor dem Essen zu reinigen. Wir erklären ihnen auch, wie sie das alles ihren Kindern beibringen können”, erklärt Fatima. „Die Arbeit als Freiwillige macht mich glücklich, ich fühle Freude und Anteilnahme. Drei meiner Kinder können bald zur Schule gehen. Ich habe sie schon angemeldet.”

Bildung ist Fatima sehr wichtig. Dies sei der Schlüssel zu Veränderungen im Leben. „Ich habe mal jemanden sagen hören: ‚Wenn du ein Mädchen ausbildest, bildet das die ganze Nation.’ Das sollte unser Lebensziel sein, wir müssen danach streben, weil Mädchen gleichzeitig Mütter, Lehrerinnen und Ärztinnen sind. Wenn wir möchten, dass die nächste Generation ein besseres Leben hat, ist Bildung der Schlüssel.

Helfen Sie Fatima dabei, noch vielen anderen Frauen und Mädchen ihr Wissen zu vermitteln und spenden Sie für die Hilfe von CARE im Jemen!

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