Hanane*, 22, Helferin seit zwei Jahren
 

„Das letzte Mal habe ich Ost-Ghuta im Jahre 2013 verlassen. Heute verlasse ich nicht einmal mehr mein Haus. Höchstens zwei Stunden am Tag, um zu arbeiten und irgendwie an Essen zu kommen. Den Rest der Zeit halten wir alle uns vor den Luftangriffen versteckt. Allein heute habe ich mehrere Stunden in einem unterirdischen Schutzraum verbracht und meine Familie wusste nicht, wo ich war. Das war schrecklich für sie, denn mein Vater kam bereits bei einem Luftangriff ums Leben. Meine Schwester, meine Mutter und ich sind jetzt auf uns gestellt.

Es gibt hier keine „normalen“ Tage mehr. An das Leben ohne Strom haben wir uns schon gewöhnt, aber vieles andere ist schwer erträglich: der Hunger, die Kälte, das Leid um uns herum.
Immerhin können meine Schwester und ich noch arbeiten und so wenigstens für Trinkwasser bezahlen. Doch viele Menschen haben überhaupt kein Geld mehr. Sie schicken ihre Kinder zum Wasserholen an behelfsmäßige Wasserstellen, heizen mit gesammeltem Feuerholz. Die ganz Armen warten einfach nur darauf, dass der Winter endlich enden möge.

Ich arbeite hier in Ost-Ghuta mit Kindern. Viele von ihnen sind traumatisiert, sie können nicht mehr sprechen, werden depressiv und krank. Das einzige Spiel was sie noch spielen ist „Krieg“, während wir unser Bestes tun, sie auf anderen Gedanken zu bringen. Aber wie soll das funktionieren? Selbst wir wissen mittlerweile nicht mehr, was eigentlich in der Außenwelt vor sich geht.

Wir haben keine Wahl als abgelaufene Medikamente zu benutzen. Wir reden uns ein, dass wenn sie nicht helfen, sie uns bestimmt auch nicht schaden werden. Doch viele Menschen hätten eine echte medizinische Versorgung dringend nötig. Nicht zuletzt die Schwangeren, die sich nicht einmal vernünftig ernähren können. Der Nahrungsmangel führt bei ihnen dazu, dass Haare und Zähne ausfallen oder sie Fehlgeburten erleiden. Es ist einfach unfassbar grausam."

Zeina*, 38, Helferin seit einem Jahr
 

„2012 war ich das letzte Mal außerhalb Ost-Ghutas. So wie wir die Stadt nicht mehr verlassen können, kann auch nichts zu uns hinein: Weder andere Menschen, noch Essen oder Medikamente. Wenn doch einmal Lebensmittel hier zum Verkauf angeboten werden, sind sie für uns unbezahlbar; Weizenmehl, Käse und Joghurt sind für uns mittlerweile Luxusgüter.
Die Medikamente haben ihr Haltbarkeitsdatum meist überschritten. Doch selbst dann kosten sie oft zehn Mal so viel wie in Damaskus.

Meine Kinder bleiben seit einem Monat zu Hause. Uns geht es besser als anderen, denn wir müssen nicht in Kellern ohne Licht leben. In manchen dieser Kellerräume leben bis zu 25 Familien; ohne Licht, Essen oder einer Möglichkeit zum Heizen.

Da wir keine Elektrizität mehr haben, kann ich viele Haushaltsgeräte nicht nutzen. Noch nicht einmal der Gasofen bleibt mir, da die Verwendung von Gas verboten ist. Nur durch Feuerholz halten wir uns warm und können kochen. Ich habe keinen Kühlschrank, also muss ich versuchen, jeden Tag neu zu kochen. Fließendes Wasser haben wir natürlich auch nicht. Meistens schicken wir die Kinder los, um Wasser aus den Bohrlöchern zu schöpfen.

Meine Kinder sind 12 und 5 Jahre alt. Seit meine Tochter auf der Welt ist, hält die Belagerung an. Mein Sohn erzählt ihr manchmal von früher, von Restaurantbesuchen oder Einkaufsbummeln. Dann zeige ich ihr Fotos, damit sie es sich vorstellen kann. Die Kinder wachsen in einer anderen Welt auf. Selbst ich werde mich in ihr einmal schwer zurechtfinden, wenn all das hier vorbei ist.
 
Den Preis für diesen Krieg zahlen die Frauen. Viele werden zu Witwen und viele Ehen halten dem Ausnahmezustand nicht stand. Sind die Frauen erst allein, bleibt vielen nichts anderes mehr übrig, als auf der Straße zu betteln. Das ist schrecklich."

*Name geändert.

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