Zu meinen Backpacker-Zeiten haben wir uns immer über eine Rubrik in einem berühmten Reiseführer amüsiert. Sie nannte sich „off the beaten track“ und sollte „Insider-Tipps“ bieten, um an Orte zu gelangen, die noch nicht viele Menschen besucht hatten. Manchmal wichen wir nur leicht von einem Wanderweg ab und behaupteten dann lachend, „auf unbetretenen Pfaden“ unterwegs zu sein.

Eine Mutter hält ihr Kind fest.

Nach einem Jahrzehnt in der Welt der humanitären Hilfe hat „off the beaten track“ heute eine andere Bedeutung für mich. Viele Stunden habe ich schon bei Besuchen von CARE-Projekten in kleinen Wartehallen an Flughäfen und auf holprigen Straßen verbracht und mir fallen viele freundliche Gesichter ein, wenn ich an Orte abseits der ausgetretenen Pfade denke. Ich denke an meine Kolleg:innen in Ländern wie dem Sudan, der Demokratischen Republik Kongo oder in Haiti, die oft mühselige Reisen unternehmen, um arme und marginalisierte Gemeinschaften zu erreichen. Ich denke an die Analysen und Papiere, die eine klare Sprache sprechen und auf Orte hinweisen, die schwer zu erreichen sind, aber am meisten Hilfe benötigen. Und ich denke an die Projekte und die Logistik, die humanitäre Hilfe erst möglich machen.

Ich hatte kürzlich das Privileg in den Sudan zu reisen. Es ist ein Privileg, nicht nur, weil das Land atemberaubend schön ist und die Gastfreundlichkeit der Menschen mich sehr berührt hat. Es ist auch ein Privileg, weil mein europäischer Pass es mir erlaubt, in fast jedes Land dieser Welt problemlos einzureisen und es auch wieder zu verlassen. Doch für die Menschen, die ich bei solchen Besuchen treffe, bleibt das Reisen meist ein unerreichbarer Traum. Oder eine beschwerliche Odyssee auf Fluchtrouten, bei der Grenzen heimlich überquert werden müssen und die Zukunft völlig ungewiss ist.

Im Sudan liegt Aufregung und Hoffnung in der Luft. Das Land hat grade einen demokratischen Wandel erlebt, nachdem die Zivilbevölkerung monatelang hartnäckig und dabei friedlich protestiert hatte. Die Zukunft mag noch ungewiss sein, aber der Wille der Menschen zur Veränderung ist deutlich spürbar: endlich soll es einen Aufbruch geben in eine Ära des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands.

"Wir fahren in den äußersten Osten des Landes", erklärt mir das CARE-Team. Dort, in Kassala, ist die Unterernährung von Frauen und Kindern viel höher als in anderen Teilen des Landes, in einigen Gemeinden betrifft sie bis zu 18 Prozent der Menschen. Unterernährung ist ein stiller Tod mit grausamen Begleiterscheinungen: der Körper trocknet langsam aus und das Wachstum wird gehemmt. Unterernährte Mütter können nicht mehr für ihre Kinder sorgen, ihre Muttermilch ist längst versiegt. Neugeborene kämpfen ums Überleben, wenn sie nicht die Nährstoffe erhalten, die sie zum Wachsen brauchen. Deshalb entschied sich CARE, hier in Kassala zu intervenieren. Wir hatten kein Büro, wir hatten noch keine Partner. Aber unser Wunsch, dort zu helfen, wo es am nötigsten ist, machte es möglich.

Ein Kind bekommt den Armumfang gemessen.

Die gleichnamige Provinzhauptstadt Kassala liegt am Fuße einer surrealen, aber wunderschönen Bergkette. Die Menschen trinken Kaffee mit Ingwer und Kardamom und wieder einmal ist die Gastfreundschaft überwältigend. Als ich während des Fluges aus dem Fenster schaue und dann ein paar Stunden im Auto verbringe, um die meist nomadischen Gemeinden zu besuchen, denen CARE hilft, wird es mir wieder klar: Meine Organisation geht wirklich die im Englischen sprichwörtliche „extra Meile“, um Not zu lindern.

Herr Zentel schaut sich eine Untersuchung an.

Die Herausforderungen hier sind gewaltig: Die Gesellschaft ist sehr konservativ und die vielen sehr verschlossen lebenden ethnischen Gruppen haben jeweils ihre eigene Sprache, eigene Traditionen und Weltanschauungen. Wir fragen die Männer, warum sie ihren Töchtern angesichts der hohen Risiken für Frauen während der Geburt keine professionelle Begleitung von Hebammen gestatten. Sie schütteln den Kopf und antworten, dies sei einfach nicht üblich. Trotzdem ist CARE vor Ort, bietet energiereiche Nahrungsergänzungsmittel und Medikamente zur Behandlung von Unterernährung und spricht mit Müttern darüber, wie man Lebensmittel auf gesunde und hygienische Weise zubereitet. Wir wollen noch viel mehr tun, aber wie üblich sind die Finanzierungszyklen unserer Geldgeber kurz und die finanziellen Mittel knapp. Aber jetzt, mit einem Büro und einigen engagierten CARE-Helfer:innen vor Ort, werden wir gemeinsam mit unserer lokalen Partnerorganisation Waad versuchen, hier so viel wie möglich zu erreichen. Bei Waad spricht man die lokalen Sprachen und gerade die weiblichen Mitarbeiterinnen haben einen viel besseren Zugang zu abgeschotteten Gemeinden wie denen, die wir besucht haben.

Kassala mag abseits der ausgetretenen Pfade liegen, aber seine Frauen und Kinder verdienen die Chance, ein gesundes und unabhängiges Leben zu führen. Während ich in den Flieger nach Hause steige, weiß ich, dass meine Kolleg:innen immer noch da sein werden, tausend Meilen entfernt, einige weit weg von ihren Familien, um an entlegenen Orten wie Kassala zu arbeiten. Und dass sie dort etwas bewirken. Sie verdienen viel mehr als diese Notizen, die ich schreibe. Wie wäre es mit einem Reiseführer, der sich armen und vernachlässigten Regionen auf der ganzen Welt widmet und die humanitären Held:innen präsentiert, die allen Widrigkeiten trotzen? Dieser Aufruf geht an Lonely Planet, Marco Polo, Baedeker und all die anderen da draußen. Ich würde ein solches Buch kaufen. Und Sie?

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