Es ist ein warmer Frühlingsmorgen. Die alten Gemäuer des Schulgebäudes im beschaulichen Grefrath am Niederrhein leuchten in der Sonne. Togola und seine Freunde Ahmed, Idris, Mamadou, Khalegh und Medhi leben seit einigen Monaten im ehemaligen Internat auf dem Schulgelände des alten Gymnasiums. Die Jugendlichen sind im Alter zwischen 15 und 18 Jahren und kommen aus Ägypten, Guinea, Afghanistan und Mali. Auf den ersten Blick haben sie mindestens zwei Gemeinsamkeiten: Sie sind minderjährig und alle teilweise auf sich allein gestellt nach Deutschland geflohen. „Wir fühlen uns hier sehr wohl“, sind sich die sechs Freunde einig, als ich sie während eines Workshops des KIWI-Projektes („Kinder und Jugendliche Willkommen“) treffe. Seit über einem Jahr besucht das KIWI-Team von CARE die Jugendlichen nun regelmäßig.

CARE hat 2016 das KIWI-Projekt ins Leben gerufen, um geflüchteten Jugendlichen das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. Im Rahmen mehrtägiger Fortbildungen schult CARE Lehrkräfte in der Anwendung verschiedener Unterrichtsmodule zu Kultur, Geschlechterrollen, Grundwerten und zur beruflichen Orientierung. Lehrkräfte und Schüler werden dabei von CARE intensiv betreut. Eine dieser KIWI-Schulen ist die Liebfrauenschule Mülhausen.

Das alte Internat der Schule wurde bereits vor einigen Jahren geschlossen. Nun wurde darin eine Unterkunft für unbegleitete, minderjährige Geflüchtete eingerichtet. Das ehemalige Internat blickt auf eine lange Geschichte zurück, doch seitdem die Jugendlichen da sind, beginnt ein neues Kapitel: Rund 30 Geflüchtete aus unterschiedlichsten Nationen haben dort einen Ort der Ruhe und des Schutzes gefunden. Ahmed, Mamadou, Khalegh, Medhi, Togola und Idris sind einige von ihnen. Ihr neues Zuhause wird von einer äußerst fürsorglichen Jugendhilfe betreut. Die Atmosphäre im alten Internat ist herzlich und entspannt – das Wohlergehen der Jugendlichen wird hier groß geschrieben. Ihr Schicksal und die zurückgebliebenen Narben sind hier in guter Obhut.

Togola kommt aus Mali. Der große westafrikanische Binnenstaat befindet sich seit Jahren in einer schweren Krise. Gemeinsam mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder lebte Togola in einem kleinen Dorf nahe Mopti, einer Großstadt circa 650 Kilometer von Malis Hauptstadt Bamako entfernt. „In Mali spricht man 35 Sprachen“, erzählt Togola über sein Heimatland. Die Amtssprache Französisch konnte er nie richtig lernen, denn eine Schule hat Togola nie besucht. „Meine Eltern waren sehr arm und wir haben in einem kleinen Dorf gelebt, deshalb konnte ich nicht in die Schule gehen“, erzählt der 15-Jährige mit zusammengepressten Lippen. Durch Angriffe von terroristischen Gruppierungen verlor er seine Eltern. Alles was ihm bleibt, sind sein Onkel und sein fünfjähriger Bruder. Eine schmerzliche Realität. Völlig auf sich allein gestellt, sah Togola keinen anderen Ausweg mehr als die Flucht nach Deutschland.

Seit neun Monaten lebt der 15-Jährige nun am beschaulichen Niederrhein. Seinen jüngeren Bruder und seinen Onkel musste Togola allerdings im unsicheren Mali zurücklassen. „Ich habe Kontakt zu meinem Bruder und meinem Onkel“, berichtet Togola mit brüchiger Stimme. Seine tägliche Angst, besonders um seinen zurückgebliebenen Bruder, machen ihm schwer zu schaffen. Doch Togola ist auch eine wahre Kämpfernatur. Schließlich hat er es ganz alleine nach Deutschland geschafft. Er glaubt fest daran, seinen Bruder eines Tages wieder zu sehen.

Besonders am Herzen liegt Togola das Lernen in seiner neuen Heimat: „Noch besser Deutsch lernen und einen Schulabschluss machen“, so stellt er sich seine unmittelbare Zukunft vor. Bereits jetzt sind seine Deutschkenntnisse in Anbetracht der kurzen Zeit beeindruckend.

Die sechs Freunde sind sich einig: „Wir möchten in Deutschland bleiben“. Einige der sechs träumen davon, in eine größere Stadt zu ziehen; anderen gefällt der beschauliche Niederrhein sehr gut. „Ich bin sehr glücklich hier zu sein. Wenn ich eine Ausbildung gemacht habe, möchte ich meinen kleinen Bruder und meinen Onkel nach Deutschland holen“, berichtet Togola.

Während des heutigen KIWI-Workshops wurde über die berufliche Zukunft der Jugendlichen gesprochen. Togola will Sanitäter werden. Für ihn hat sich aus unserer heutigen Arbeit etwas ganz Konkretes herauskristallisiert. Um erste Praxiserfahrungen zu sammeln, möchte sich Togola zukünftig im Sanitätsdienst in einer umliegenden Gemeinde ehrenamtlich engagieren. Es ist schön zu sehen, wie er durch CAREs Unterstützung ganz konkrete Anregungen und Ideen für seine Zukunftsplanung mitnehmen kann. Fest steht, dass Togola und seine fünf Freunde sehr realistische Zukunftspläne haben und voller Zuversicht und Hoffnung auf ihr zukünftiges Leben in Deutschland blicken. Bald steht für die Jugendlichen der erste große Schritt in Richtung Berufsausbildung an: Sie werden in den nächsten Sommerferien ein Praktikum absolvieren. Die Vorfreude ist jetzt schon riesig.

Seit 2015 erreichte KIWI etwa 400 Lehrer von rund 150 verschiedenen Schulen in ganz Deutschland. Insgesamt wurden bundesweit bis zu 10.000 Schüler mit und ohne Flucht- und Migrationshintergrund gefördert.

Helfen Sie bei der Integration geflüchteter Kinder & Jugendlicher und unterstützen sie das KIWI-Projekt von CARE mit Ihrer Spende!

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