Asina zog vor sechs Jahren nach Bidi Bidi, schon lange bevor das Dorf zum größten Flüchtlingslager der Welt wurde. „Ich bin glücklich hier“, sagt sie. Auf einem Feld neben dem Haus baut sie Mais an, ihre jüngeren Kinder spielen darin Fangen. Von der Ernte kann sie ihre sechs Kinder ernähren und auch einen Teil auf dem Markt verkaufen, zusammen mit selbst hergestellten Besen. „Früher habe ich 500 Schilling (umgerechnet etwa zwölf Cent) für einen Besen bekommen, aber durch die erhöhte Nachfrage kann ich einen höheren Preis verlangen. Das Leben war schwieriger, bevor die Geflüchteten zu uns gekommen sind“, sagt sie.

Asina ist eine der vielen Einwohnerinnen von Uganda, die die Menschen, die vor der Krise im Südsudan fliehen mussten, mit offenen Armen empfangen. „Ich profitiere davon, dass so viele Menschen nach Bidi Bidi gekommen sind. Es wurden neue Straßen gebaut und eine Schule eröffnet, sodass meine Kinder jetzt einen kürzeren Schulweg haben. Außerdem kann ich mehr Geld verdienen. Als meine Felder wegen der Dürre verdorrten, konnte ich mir mit der Herstellung von Besen ein neues Einkommen schaffen“, erzählt Asina.

EINE BEISPIELLOSE GASTFREUNDLICHKEIT

Ugandas Flüchtlingspolitik ist außergewöhnlich gastfreundlich. Jede Flüchtlingsfamilie erhält etwa 30x30 Meter Land zum Leben und zusätzlich ein 50x50 Meter großes Feld, das sie als Anbaufläche nutzen kann. Am erstaunlichsten ist, dass dieses Land der Gemeinschaft gehört. Es wird also nicht von der Regierung verwaltet, sondern von den Bewohnern der Gastgemeinden. Viele bieten ihr Land den Geflüchteten an. Dafür erhalten sie nur eine kleine Entschädigung in Form von Ernteerträgen und die Aussicht auf eine bessere Infrastruktur, etwa durch Krankenhäuser und Schulen, die zusätzlich gebaut werden und von denen sie zukünftig profitieren können.

Anders als für Asina sind die höheren Preise nicht für alle Bewohner von Vorteil. „Die Krise im Südsudan hat die Märkte in Uganda stark beeinflusst. Die Zuwanderung hat die Preise für Lebensmittel und Waren so sehr in die Höhe getrieben, dass die Geflüchteten angefangen haben, die Nahrungsmittelspenden, die sie erhalten, an die lokale Bevölkerung zu verkaufen“, sagt Ritah Manze, die im Flüchtlingslager Imvepi arbeitet, das etwa 30 Kilometer von Bidi Bidi entfernt liegt.

Als die Krise im Südsudan im Dezember 2016 ihren Höhepunkt erreichte, suchten in Imvepi jeden Tag 7.000 Menschen Zuflucht. Aktuell kommen täglich weitere 2.000 Menschen hinzu. Diese Zahl kann sich jederzeit wieder erhöhen. Obwohl die Infrastruktur bereits ausgebaut wurde, sind die Ressourcen des Flüchtlingslagers nahezu erschöpft. In Imvepi fehlen grundlegende Dinge wie Wasser, Nahrung und medizinische Einrichtungen. Aktuell versorgen gerade einmal 17 Bohrlöcher die 110.000 Bewohner des Flüchtlingslagers mit Wasser. Es gibt neun Schulen und zwei Krankenhäuser – eine Herausforderung, vor allem für ältere Menschen und Mütter mit kleinen Kindern, die die weiten Wege zur nächsten Wasserstelle oder dem Krankenhaus kaum bewältigen können.

„DIE ZUWANDERUNG IST EINE CHANCE FÜR UNSER LAND.“

Für Asina überwiegen jedoch die positiven Folgen. „Weil wir Geflüchtete aufnehmen, bekommen wir Gastgemeinden auch Unterstützung von den Hilfsorganisationen“, sagt sie. Die ugandische Regierung schreibt vor, dass Hilfsorganisationen ihre Unterstützung im Verhältnis 70:30 auf Geflüchtete und Gastgemeinden aufteilen müssen. Das bedeutet, dass jede Wasserstelle und jedes Krankenhaus, das 700 Geflüchtete versorgt, gleichzeitig auch für 300 Einheimische zugänglich sein muss.

Wir nehmen schon lange Geflüchtete auf und sehen die Zuwanderung als Chance, weil viele gut ausgebildete Arbeitskräfte zu uns kommen“, so Robert Baryamwesiga, Leiter des Bidi Bidi Flüchtlingslagers. „Das kurbelt die Wirtschaft unseres Landes an. Wir sehen Geflüchtete nicht als Terroristen oder Überträger von Krankheiten, sondern als gleichgestellte Menschen. Wir unterscheiden nicht zwischen Geflüchteten und Einheimischen, sondern konzentrieren uns auf das Positive: darauf, wie sie unser Land weiterbringen können.“

Ugandas Regierung zeigt großes Verständnis für die Menschen, die aus dem Südsudan fliehen mussten und erlaubt ihnen, ihren Wohnort zu wechseln, zu arbeiten und ein eigenes Unternehmen zu gründen. Sie stellt ihnen Ausweise aus und ermöglicht den Zugang zu sozialen Dienstleistungen. Außerdem bekommen die Geflüchteten Land zum Wohnen und Bewirtschaften.

FEHLENDE FINANZIELLE MITTEL

Obwohl die Unterstützung der Hilfsorganisationen meist kurzfristig ist, fördert sie die längerfristige wirtschaftliche und soziale Entwicklung, die medizinische Versorgung und die Wohnungssituation. CARE hat in Imvepi 2.500 Notunterkünfte für Geflüchtete mit besonderen Bedürfnissen aufgestellt. Da diese Unterkünfte jedoch nur für etwa drei Monate halten, ist es wichtig, dass zusätzlich stabilere Unterkünfte und feste Gebäude errichtet werden, die nach der Rückkehr der Geflüchteten auch für andere Zwecke genutzt werden können.

Allerdings wurden von den Geldgebern bisher erst ca. 380 Millionen Euro der benötigten 1,7 Milliarden Euro zur Unterstützung der Geflüchteten in Uganda zugesagt, sodass der Bedarf für 2017 kaum gedeckt ist. „Es bleibt unklar, ob unsere Hilfe in den kommenden Jahren weiterfinanziert wird, aber wir dürfen uns davon nicht entmutigen lassen. Uganda hat die hohe Zuwanderung beispiellos gemeistert. Die internationale Gemeinschaft muss diese Last mittragen. Andernfalls könnte sich der Konflikt auch in Uganda ausbreiten“, warnt Delphine Pinault, CARE-Länderdirektorin in Uganda.

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