Die Hitze im Inneren des Zeltes raubt mir kurz den Atem. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich Cheelo bitte, hineinzugehen, um mir einige der Gegenstände zu zeigen, die sie besitzt. Tagsüber halten sie und ihre Kinder sich nicht in dem Zelt auf, weil es zu heiß ist. Cheelos Zelt ist eines von vielen in diesem Lager für Binnenvertriebene im Süden Sambias. Sie hat vor einigen Monaten ihr Haus verloren, als Sturzfluten ihre Tiere und alles, was sie besaß, mit sich rissen. Jetzt lebt sie hier in diesem Zelt, zusammen mit einer anderen Familie. Ich frage sie, wie viele Menschen darin schlafen. Dreizehn. Ich schaue hinein und versuche zu zählen, wie dreizehn Körper in diesen kleinen Raum neben Töpfen, Maissäcken, Eimern und Kanistern passen könnten.

Eine Frau im Flüchtlingscamp blickt aus ihrem Zelt.
Cheelo Choongo vor ihrem Zelt. Ihre Familie teilt es sich mit einer weiteren Familie, insgesamt schlafen 13 Personen darin.

Als ich wieder aus der Hitze trete und Cheelo damit beschäftigt ist, die Gegenstände zu sortieren, die sie mir zeigen will, bemerke ich eine Frau, die neben dem Zelt steht und mich bei der Arbeit beobachtet. Es ist eine ältere Frau mit einem Gehstock, auf den sie sich schwer abstützt. Sie lächelt mich an. Ihr Name ist Chuma und sie ist 85 Jahre alt. Später erfahre ich, dass sie ihre Kinder verloren hat und sich allein um ihre kleinen Enkelkinder kümmert. Durch die Überschwemmungen hat sie nun auch ihr Haus verloren und lebt hier in einem dieser zu heißen Zelte. Sie ist auf ihre Nachbar:innen und humanitäre Hilfe angewiesen, um sich und ihre Enkelkinder ernähren zu können. 

Wenn ich ein CARE-Projekt besuche, habe ich einen Plan und weiß normalerweise, mit wem ich sprechen und wen ich interviewen werde. Manchmal weiche ich aber von diesem Plan ab, wenn ich Menschen wie Chuma sehe. Denn es sind Menschen wie sie, die mein Herz auf besondere Weise berühren. Jeder Mensch hat eine andere Geschichte zu erzählen. Jede Frau, jeder Mann, jedes Kind, jede Mutter, jede Großmutter, die hier vor den Zelten sitzen und mir zuhören, haben ihre eigene Geschichte. Sie alle haben ihr Zuhause verloren. Sie wissen nicht, wann sie zurückkehren oder wie sie ihre Häuser reparieren können. In einem Moment leben sie glücklich und unabhängig mit ihren Familien und Tieren, im nächsten schlafen sie auf dem Boden eines grauen Zeltes und wissen nicht, wo sie genug Essen für die heutige Mahlzeit finden können. 

Eine vertriebene Großmutter und ihre Enkelin blicken in die Kamera.
Chuma Mwende ist 85 Jahre alt und kümmert sich alleine um ihre Enkelkinder. Seit eine Überschwemmung ihr Haus zerstörte, lebt auch sie im Flüchtlingscamp.

Alle haben mit Entbehrungen und Herausforderungen zu kämpfen. Gleichzeitig sehe ich aber auch, während ich einige von ihnen befrage, wie sie damit umgehen. Wie sich eine neue Routine einstellt. Wie außergewöhnlich Menschen sich an Umstände anpassen können, die sich ihrer Kontrolle entziehen. Mütter gehen lange Strecken, um Trinkwasser für ihre Kinder zu holen. Ältere Geschwister kochen Mais über einem offenen Feuer. Kleine Kinder spielen dieselben Spiele, die sie zu Hause gespielt haben. Das Leben geht weiter.
 

Zwei Jungen laufen Arm in Arm durch ein Flüchtlingscamp.

Doch dann sehe ich Chuma, die langsam, aber zielstrebig durch die Zelte geht. Ich sehe einen Mann, der auf Krücken geht, weil er nur ein Bein hat. Ich sehe Menschen, die ohnehin schon ein schweres Leben haben, die sich abmühen, und dann zerstört eine Flut ihr Haus und alles, was sie besitzen. Anstatt ihr Alter zu genießen und sich in einem Sessel zu entspannen, während ihre Enkelkinder um sie herum spielen, macht sich Chuma Sorgen, wo sie Essen für ihre Enkelkinder finden kann. Und ich frage mich: Was tun sie, um zu überleben?

Es verschlägt mir immer wieder den Atem, wenn ich ohnehin bereits geforderte Menschen in Notlagen sehe. Auch wenn jede einzelne Person in diesem Lager zu kämpfen hat. Sie sind vertrieben worden. Sie haben alles verloren und mussten neu anfangen. Aber sie haben wenigstens die Kraft, Wasser zu holen und sich auf die Suche nach Nahrung zu machen. Was machen diejenigen, die nicht laufen können? Die zu alt, zu schwach, zu krank sind? 

Hier in diesem Camp erhalte ich eine Antwort auf diese Frage: Sie helfen sich gegenseitig. Diejenigen, die die Kraft haben, zu laufen und Dinge zu tragen, tun dies für das ganze Camp. Sie teilen ihr Essen. Sie kochen füreinander. Sie unterstützen sich gegenseitig. Keiner wird vergessen. Sie sind eine Gemeinschaft geworden. Eine große Familie. Die Kinder sind befreundet. Die Mütter sitzen zusammen und reden über den neuesten Klatsch und Tratsch. Sie überleben alle gemeinsam.

Sarah Easter steht inmitten eines Flüchtlingscamps.
CARE-Helferin Sarah im Camp für Binnenvertriebene in Sambia. Das Durchhaltevermögen und die Hilfsbereitschaft der Menschen beeindrucken sie.

So hilft CARE: CARE leistet Nothilfe für die von den Überschwemmungen in Sambia betroffenen Menschen. Mit Bargeld, Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern wie Decken, Solarlampen, Wassertanks und Eimern hilft CARE den Vertriebenen, die kein Zuhause und nur wenige finanzielle Mittel haben. Langfristig konzentrieren sich die Projekte von CARE darauf, die Menschen widerstandsfähiger gegen die klimatischen Bedingungen zu machen, zum Beispiel mit Aufforstungsprojekten, dürreresistentem Saatgut und Schulungen zu Ernährung und Gesundheit.

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