Das Gebäude der Vereinten Nationen von außen.

Wer New York City besuchen möchte, für den ist der Oktober womöglich der optimale Zeitpunkt. Die Sommerhitze ist verflogen, der Indian Summer mit seinen leuchtenden Farben hält langsam Einzug im Central Park und die Straßen sind vielerorts wahlweise herbstlich oder für das Halloweenfest geschmückt. Selbst in der Stadt, die niemals schläft, ließe sich so fast so etwas wie Entspannung finden. Ließe. Denn für das UN-Büro von CARE in New York bedeutet der Oktober vor allem eines: Meetings, Meetings, Meetings. Zuhören, Mitschreiben, Fragen stellen, Schlüsse ziehen. 

Für eine humanitäre Hilfsorganisation wie CARE, die Beraterstatus bei den Vereinten Nationen hat, nimmt die Advocacy-Arbeit im Oktober so richtig Fahrt auf.

Hier kommt ein Überblick über die Themen und Debatten, die den vergangenen Monat bestimmt haben.

Die meist im September stattfindende Generaldebatte der Vereinten Nationen ist vielen sicherlich aus den Medien bekannt, da hier eine große Anzahl an Staatschef:innen der 193 Mitgliedsstaaten auftreten und Reden halten. Sie läuft immer für zwei Wochen und auch unser Augenmerk ist in dieser Zeit auf sie gerichtet. So wurden etwa in diesem Jahr so wichtige Themen wie die globalen Folgen der COVID-19-Pandemie oder die Vielzahl an Hungerkrisen weltweit besprochen. Themen also, zu denen auch CARE arbeitet und deren Folgen die Menschen in unseren Projekten täglich spüren.

Vereinte Nationen ist nicht nur „Generaldebatte“

Wo das Medieninteresse oft nicht über die Wortbeiträge der landeseigenen Regierungschefin oder des Außenministers hinausgeht, hört die Arbeit der Vereinten Nationen und ihrer Partner zu diesen Themen aber natürlich noch lange nicht auf. 

Und so näherten wir uns nach Ende der Generaldebatte in schnellen Schritten der jährlichen Debatte des UN-Sicherheitsrates zum Thema „Frauen, Frieden und Sicherheit“, kurz WPS („Women, Peace and Security“). Geschlechtergerechtigkeit steht bei allen Projekten von CARE im Mittelpunkt, daher ist diese Debatte jedes Jahr von zentraler Bedeutung für uns.

Genau genommen debattiert der Sicherheitsrat über die „Agenda WPS“, die wiederum aus insgesamt zehn Resolutionen zu diesem Themenbereich besteht. Angefangen hat das vor 22 Jahren mit der Agenda 1325, welche am 31. Oktober 2000 verabschiedet wurde. Darin verpflichten sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten besonders zu schützen, ihre Teilhabe an politischen Prozessen und Institutionen bei der Bewältigung und Verhütung von Konflikten zu stärken und zu fördern, sie in internationalen Friedens- und Sicherheitsprozessen stärker zu beteiligen und die Resolution auf nationaler und internationaler Ebene umzusetzen.

Die Resolution 1325 gilt bis heute als wichtiger Meilenstein und ihr folgten neun weitere Resolutionen im Sicherheitsrat, die Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen, die in der Regel die Hauptlast von Gewalt und Konflikten tragen, in den Fokus rücken sollen. Es sind große und wichtige Ziele, die vereinbart wurden. Grund genug also für den Sicherheitsrat, einmal im Jahr konkret über WPS zu sprechen und Grund genug für uns, hierbei genau zuzuhören und uns mitunter einzubringen.

Denn: Was in den Resolutionen verabschiedet wird, kann, bei konsequenter Umsetzung, unmittelbaren Einfluss auf die Art und Weise haben, wie wir und andere internationale Hilfsorganisationen sowie unsere lokalen Partner in Projektländern operieren und Hilfe leisten können. Etwa dadurch, dass sie den Zugang zu Menschen in Not gewährleisten, den Schutz der Helfenden zusichern oder eben den Frauen aus unseren Projekten Rechte und Beteiligung in Entscheidungsprozessen garantieren.

Mann steht im Sicherheitsrat, von vorne fotografiert.
Daniel Al-Ayoubi von CARE im Sitzungssaal des UN-Sicherheitsrates. Hier fand im Oktober u. a. die wichtige WPS-Debatte statt.

Über 80 Staaten beteiligten sich in diesem Jahr an der fast achtstündigen WPS-Debatte, welche stets durch ein Briefing einer Wortführerin für Frauenrechte aus einem der Länder, welche im Fokus der Arbeit des Sicherheitsrates stehen, eröffnet wird. In diesem Jahr sprach die afghanische Frauenrechtsaktivistin Zahra Nader eindringlich über die Situation in ihrem Land und bezeichnete die Zustände als „Geschlechterapartheid“.

Es folgten viele weitere Beispiele von Benachteiligung von Frauen und Mädchen weltweit, sodass am Ende der Debatte die traurige Tatsache im Raum stand, dass viele Errungenschaften bei der Gleichstellung der Geschlechter aus den vergangenen Jahren durch aktuelle Krisen, Konflikte und die COVID-19-Pandemie rückgängig gemacht wurden; die Mitgliedsstaaten haben sich von den selbst gesteckten Zielen der WPS-Agenda eher entfernt, als sie zu erreichen.
 
Leider deckt sich diese Erkenntnis mit den Erfahrungen unserer lokalen Partner:innen in den über 100 Ländern, in denen CARE tätig ist: Frauen und Mädchen sind vielerorts gesellschaftlich benachteiligt, leiden am meisten unter den Folgen von Krisen, sind oft unzureichend geschützt und werden an Entscheidungsprozessen nicht beteiligt.

Dass die internationale Gemeinschaft – zu großen Teilen zumindest – diese Tatsachen anerkennt und verurteilt, begrüßen wir, jedoch müssen Worten auch Taten folgen. Wir stimmen den Aussagen der stellvertretenden Generalsekretärin Amina Mohammed daher absolut zu, die in ihrer Rede eine Rückbesinnung und erneute Verpflichtung gegenüber den Zielen der WPS-Agenda von den Mitgliedsstaaten einforderte. Darüber hinaus erklärte sie, die Zeit sei reif, jene sozialen Normen und patriarchalischen Strukturen abzubauen, die Frauen von der Macht und den Entscheidungen über ihr eigenes Leben ausschließen.

Teilnehmer:innen der Seeking-Peace-Veranstaltung in New York City.

Neben den offiziellen Sitzungen bei der UN sind während der WPS-Woche aber vor allem auch die vielen Veranstaltungen von Institutionen und Organisationen interessant. So werden etwa Gespräche mit Expert:innen und Aktivist:innen angeboten, Podiumsdiskussionen ausgerichtet oder neue Projekte vorgestellt. Besonders bei letzterem ist die Bandbreite groß: Mal werden neue Vorschläge dazu unterbreitet, wie die Umsetzung der bestehenden Resolutionen bei der UN durch die Zivilgesellschaft vehementer eingefordert werden können, mal geht es um die Vorstellung eines neuen Podcasts.

Eines haben diese Veranstaltungen immer gemeinsam: Es geht darum, zusätzliche Fürsprecher:innen für die WPS-Agenda zu gewinnen und weitere Mitgliedsstaaten mit dem Thema zu erreichen. Als positiver Nebeneffekt wird der Austausch unter jenen, die bereits zum Thema WPS arbeiten, gefördert. Klar, dass auch CARE deshalb rund um die WPS-Woche an vielen solcher Veranstaltungen teilnimmt oder in manchen Jahren gleich selbst welche ausrichtet. 

Eine große Bandbreite an Themen

Die Themen und Länder, die einem in diesem Jahr im Sicherheitsrat und auf diesen Veranstaltungen immer wieder begegneten, sind die Krisen und Konflikte in Haiti, Äthiopien, Myanmar sowie der Sahelzone und - wenig überraschend – die Situationen in der Ukraine und in Afghanistan.
 
Der Sicherheitsrat traf sich diesen Oktober aber auch zu anderen Fragen, wie etwa: „Sollten die Auswirkungen des Klimawandels auf Konflikte zu einem festen Agendapunkt im Sicherheitsrat werden?“ Als humanitäre Hilfsorganisation können wir es nur begrüßen, wenn die negativen Folgen des Klimawandels zum Thema gemacht werden und auf allen Ebenen in Institutionen wie den Vereinten Nationen Beachtung finden.

In der Vergangenheit gab es bereits Bemühungen von Mitgliedern des Sicherheitsrates, dieses Ziel zu erreichen: Zuletzt brachten Irland und Niger im Dezember 2021 eine Resolution ein, in welcher der Generalsekretär der Vereinten Nationen darum gebeten wurde, dem Sicherheitsrat regelmäßig Bericht über die Folgen des Klimawandels auf Konflikte zu erstatten und Sicherheitsrisiken einzuschätzen. Dieses Vorhaben scheiterte am Veto von Russland, einem der fünf permanenten Mitglieder des Sicherheitsrates. Auch in diesem Jahr erhob es, gemeinsam mit Indien und China, seine Stimme gegen das Vorhaben der weiteren Inklusion des Klimathemas in die Agenda des Sicherheitsrates, wohingegen sich die übrigen Länder dafür aussprachen. Zu einer erneuten Abstimmung kam es aber noch nicht.

Sitzung des Dritten Komitees, Menschen von hinten.

Für in der Ukraine engagierte Hilfsorganisationen war es in den letzten Wochen auch möglich, an einem Briefing durch Denise Brown, der humanitären Koordinatorin der UN in der Ukraine, teilzunehmen und Fragen zu stellen.
Im Vorfeld eines solchen Briefings treten wir in Kontakt mit unseren lokalen Partnerorganisationen: Welche Fragen würden sie stellen, wenn sie die Möglichkeit hätten, im Hauptquartier der Vereinten Nationen mit am Tisch zu sitzen? Welche Themen sind ihnen besonders wichtig und müssen daher angesprochen werden, auch wenn sie vielleicht unangenehm sind? 

Dahinter steckt ein Grundgedanke der Advocacy von CARE: „Lokal nach global.“ Das bedeutet, wir möchten die Erfahrungswerte unserer lokalen Partner:innen und Projektteilnehmenden in jene Räume tragen, in die sie selbst nicht vordringen können, in welchen ihre Perspektiven aber ungeheuer wichtig sind. Denn sie kennen die Situationen in ihren Ländern am besten und wissen um die Sorgen und Nöte ihrer Mitmenschen. Ihre Hinweise darauf, an welchen Stellschrauben gedreht werden müsste, um die Hilfe vor Ort noch effektiver zu machen, sind besonders wertvoll.

Dieser Ansatz macht die Advocacy von CARE bei den Vereinten Nationen aus. 
Wir werden auch in Zukunft als konstante Stimme für diejenigen vor Ort sein, die auf dem internationalen Parkett oft ungehört bleiben: Unsere lokalen Partnerorganisationen und die unmittelbar Betroffenen von Krisen und Katastrophen.

 

Erfahren Sie mehr über die Schwerpunkte der Arbeit von CARE

CARE leistet unparteiliche humanitäre Hilfe dort, wo akute Not herrscht. Gleichberechtigung für alle Geschlechter ist uns eine Herzensangelegenheit. Die Klimakrise ist schon lange dort Realität, wo die Menschen am wenigsten dazu beigetragen haben und sich kaum selbst vor den Auswirkungen schützen können.

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