Von Anica Heinlein, Advocacy Referentin bei CARE Deutschland.
„Wieso habe ich bloß zugesagt? Das war das letzte Mal! Ich muss endlich lernen, Nein zu sagen“, jammere ich am Samstagmorgen um kurz vor sechs, als der Großteil unseres CARE-Teams zum Lauf zwischen den Meeren aufbricht. Unser Generalsekretär Karl-Otto Zentel sitzt da bereits im Shuttle-Bus zum Startpunkt des größten Staffellaufs in Norddeutschland, der über 95,5 km von der Nordsee in Husum zur Ostsee in Damp führt.
Insgesamt zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laufen im Rahmen der CARE-Aktion „10.000 Schritte gegen den Hunger“, um auf die Situation in Ostafrika aufmerksam zu machen. 10.000 Schritte sind die Distanz, die Frauen und Mädchen in Ostafrika täglich auf ihrer Suche nach Wasser zurücklegen. Durch eine derzeit akut herrschende Dürre bleibt ihre Suche jedoch immer öfter erfolglos, sodass sie auf die Unterstützung von Hilfsorganisationen wie CARE angewiesen sind. In Ostafrika sind aufgrund von Dürren aktuell 17 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht.
Mit unserem Lauf wollen wir auf die Not von Familien vor Ort aufmerksam machen – ich habe sofort zugesagt, als man mich fragte. Dabei habe ich wohl ausgeblendet, dass ich dann auch rennen muss. Und es hilft mir wenig, dass mir jeder versichert, dass unsere Zeit egal ist – ich laufe hier mit meinem Chef, und der ist schnell! Ich dagegen habe eher mäßig trainiert (und das ist noch übertrieben ausgedrückt). Zwar habe ich auf alle Dienstreisen meine Laufschuhe mitgeschleppt, benutzt habe ich sie aber leider kaum.
Das wird sich jetzt bestimmt rächen: Ich renne 9,4 km von Fleckeby nach Gammelby, wenigstens habe ich die lustigsten Ortsnamen abbekommen. Und wie ich dann nachmittags feststelle, auch den aufregendsten Übergabepunkt: Fleckeby feiert zum Staffellauf sein Dorffest, von THW bis freiwilliger Feuerwehr sind alle am Start, eine Hüpfburg gibt es auch. Ich spare meine Kräfte und lese in der Sonne die Nachrichten meiner Vorläufer – Herr Zentel ist wie erwartet ziemlich schnell am ersten Übergabepunkt, dann rennt unser Bundesfreiwilliger Janek in Spitzenzeit. Die Kolleginnen aus der Marketingabteilung sowie unsere Fachfrau für Ernährung haben ebenfalls tiefgestapelt: wir sind viel schneller als wir kalkuliert hatten.
Die Aufregung steigt, meine Vorläuferin ist gestartet. Das Wetter ist hervorragend, die Stimmung ist gut und dann taucht Hilke im CARE-T-Shirt auf, um mir den Stab zu übergeben. Schon bin ich auf der Strecke, laufe am Wasser entlang und bin versöhnt mit der Entscheidung, zugesagt zu haben. Selbst als ich feststelle, dass es gefühlt den Großteil meiner Strecke bergauf geht. Ja, bergauf! Wer denkt, in Norddeutschland wäre alles flach, ist noch nicht von Fleckeby nach Gammelby gelaufen. Auf dem letzten Kilometer werde ich von den Zuschauern angefeuert: „Lauf Deern – es ist nicht mehr weit!“ Und dann komme ich an: ich habe mich selten so gefreut, ein CARE-Logo zu sehen. Ich war viel schneller als gedacht, es lebe das Adrenalin.
Und dann geht es auch schon in den Shuttle-Bus, um rechtzeitig in Damp anzukommen. Kurz vor dem Ziel rahmen wir unsere beiden letzten Läufer ein - nach 9 Stunden, 21 Minuten, 25 Sekunden und 95,5 Kilometern laufen wir über die Ziellinie.
Was soll ich sagen, es ist ein erhebendes Gefühl. Was kümmert mich mein Gerede vom Morgen – der nächste Lauf ist der München Marathon: meine Staffel für CARE steht bereits!