Die Berichterstattung über Kriege und Konflikte in den Medien fokussiert sich meistens auf Männer. Aber Konflikte sind auch weiblich. Das wird oft vergessen. Nicht verwunderlich, denn Frauen finden nur in fünf Prozent der weltweiten Berichterstattung über Kriege überhaupt Erwähnung. Und wenn sie erwähnt werden, dann sind die Beiträge in 99,7 Prozent der Fälle negativ. Frauen werden oft als Opfer dargestellt. Aber die Realität ist eine andere. Es sind Frauen, die in Kriegs- und Konfliktregionen führen und Wege finden, für den Lebensunterhalt und die Sicherheit ihrer Familien zu sorgen.

Kahsa und eine weitere Frau tragen eine Krankentrage.

Frauen übernehmen Verantwortung

Wie die 34-Jährige Kahsa aus Tigray, Äthiopien: Sie ist Teil einer sogenannten „Women Lead in Emergencies“-Gruppe, die von CARE und unserer lokalen Partnerorganisation unterstützt wird. Die Gruppe bringt 25 Frauen zusammen, die über geschlechtsspezifische Themen wie Frauen in der Politik, Frauen als Unternehmerinnen und Gewalt gegen Frauen diskutieren – und damit ihre Stimmen in der Gemeinde stärken. „Wir müssen mehr für Mütter tun. Eine Frau aus unserem Dorf starb an Blutungen, als sie ihr Baby während des Konflikts zu Hause entband“, erzählt Kahsa. „Selbst nach dem Konflikt gibt es immer noch keine medizinischen Transportdienste. Also haben wir bei einem unserer Treffen über die hohe Zahl der Hausgeburten diskutiert und gemeinsam eine Lösung gefunden“, erklärt Kahsa.

Sie griffen auf die alte, traditionelle Art des Patiententransports zurück. Die Patientin wird auf einer Trage von zwei Personen transportiert. Die Frauen übernehmen abwechselnd die Verantwortung.

Kahsa und ihre Mitstreiterinnen sitzen im Kreis und diskutieren.

Kahsa und die Frauen in ihrer Gruppe führen ihr Dorf in Zeiten des Konflikts. „Ich versuche, die Frauen in meiner Gemeinde zu unterstützen und die Gruppe zu ermutigen, für ihre Rechte einzutreten. Früher wurden wir in der Gesellschaft nicht gehört. Unsere Ehemänner waren die Oberhäupter und vertraten uns. Jetzt sind wir an der Entscheidungsfindung beteiligt. Es war ein Tabu, für die Gemeinschaft zu sprechen. Jetzt melden wir uns lautstark zu Wort. Endlich haben wir eine Stimme und kämpfen für uns Mütter“, sagt Kahsa abschließend.

Souad formt mit ihren Händen ein Herz.

Souad bringt Menschen zusammen

Auch die 20-jährige Souad aus Syrien hat eine Führungsrolle in ihrer Gemeinschaft übernommen. Sie ist mit ihrer Familie während des Krieges in die Türkei geflohen. „In einer Frauengruppe von CARE lernte ich etwas über Themen wie Frühehen, Mobbing, Kinderschutz und Gewalt gegen Frauen. Ich wurde ermutigt, meine eigenen Sitzungen abzuhalten“, erzählt Souad. Die Menschen kommen zu ihren Sitzungen, weil sie mehr darüber erfahren wollen, wie sie die psychischen Auswirkungen des Kriegstraumas überwunden hat, wie sie außerdem als blindes Mädchen einen Krieg, Hunger, Vertreibung, den Verlust ihres Zuhauses und ihres Bruders sowie die Folgen eines Erdbebens verkraften konnte. 

In ihrer Gemeinde hat sie schon einen Fall von Frühverheiratung verhindert und einer Familie geholfen, Informationen darüber zu bekommen, wo sie in Mobbingfällen Hilfe bekommen kann. „Meine Gemeinde hat Vertrauen in mich. Ich bringe Menschen zusammen und verschaffe ihnen Gehör, das ist ein wunderbares Gefühl“, sagt Souad.

Olga trägt Wassereimer.

Frauen organisieren sich, um ihre Gemeinde mit Wasser zu versorgen

Oft sind es aber auch die Frauen, die Wege finden, grundlegende Bedürfnisse zu decken. In Sviatohirsk, einer Stadt im Osten der Ukraine wurden 80 Prozent der Gebäude zerstört. Seit mehr als einem Jahr gibt es kein fließendes Wasser, da die Infrastruktur schwer beschädigt wurde. Als Sviatohirsk komplett von der Außenwelt abgeschnitten war, haben sich die Frauen der Gemeinde untereinander organisiert, um alle mit Wasser zu versorgen. „Ich habe keinen eigenen Brunnen. Wasser habe ich von den Nachbarinnen bekommen“, erzählt Olga, 55. „Jeden Morgen stehe ich um 8 Uhr auf, um mit Eimern 150 Liter Wasser zu meinem Haus zu tragen, denn das ist das, was meine Familie täglich zum Kochen, Putzen, Duschen oder Trinken braucht", erklärt sie weiter.

Jetzt ist sie freiwillige Helferin in einer von CARE finanzierten Wäscherei, die über sechs Waschmaschinen und vier Trockner verfügt. „Waschen konnten wir zuvor nur provisorisch per Hand. Jetzt haben wir uns besser organisiert und haben ein System, damit alle Wasser zur Verfügung haben und die Kleidung richtig waschen kann“, schließt Olga ab.

Es braucht mehr Aufmerksamkeit

Ob Olga in der Ukraine, Souad in der Türkei oder Kahsa in Äthiopien, sie alle leisten einen Beitrag  und übernehmen Verantwortung in Konfliktregionen. Sie sind nicht passiv, unsichtbar oder Opfer. Sie sind Führungspersonen, die Wege finden, das Leben in Konfliktregionen zu verbessern. Das ist es, was eine Medienberichterstattung erzählen sollte. Wir müssen aufhören, Frauen in Kriegen zu ignorieren und ihnen mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen.

Lesen Sie hier den Bericht "Women in War" von CARE und unterstützen Sie unsere Arbeit für Frauen und Mädchen in Kriegs- und Konfliktregionen mit Ihrer Spende.

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