Es beginnt mit Rauch - eine einzelne schwarze Rauchsäule steigt auf der anderen Seite des Dorfes auf. Dann eine zweite, eine dritte. Häuser stehen in Flammen. Bald darauf ertönen Schüsse und Schreie. Dies ist die Realität für Millionen von Menschen in Cabo Delgado im Norden Mosambiks, seit der Konflikt im Oktober 2017 begann. Die noch immer anhaltende Gewalt hat bereits zur Vertreibung hundertausender Menschen geführt, fast 600.000 können aktuell nicht in ihre Heimat zurück.
„Als sie kamen, um uns zu töten, rannten wir so schnell wir konnten und versteckten uns im Busch“, erinnert sich Zacarias, 31. Er und seine Familie flohen mit nichts als den Kleidern, die sie trugen. „Ich habe meine Großmutter auf dem Rücken getragen, als wir drei Tage lang über 100 km marschierten“, beschreibt er. Sie ruhten sich nur aus, wenn es zu heiß zum Laufen war. Das ganze Dorf floh gemeinsam. „Es waren über 2.000 Menschen im Busch, aber es war völlig still, weil wir unter Schock standen. Wir haben so viele Tote auf dem Weg gesehen, die verdurstet sind oder zu krank oder alt waren, um zu fliehen. Das einzige Geräusch, das ich hören konnte, war, wenn jemand weinte“, beschreibt Zacarias.
In dem Chaos der Flucht verlieren Eltern ihre Kinder, und Familien werden getrennt, wenn sie in verschiedene Richtungen fliehen. Diejenigen, die nicht fliehen können, werden entführt oder getötet. „Mein Bruder war auf dem Feld, als sie kamen. Seine Frau und seine beiden kleinen Töchter waren bei ihm, als sie alle Männer auf den Feldern töteten“, sagt Joaquima, 35, eine Landwirtin. „Meine Schwägerin musste sich auf den Boden setzen. Die beiden Mädchen, zwei und fünf Jahre alt, mussten links und rechts von ihr sitzen, als sie den Kopf meines Bruders auf ihren Schoß legten und sie so zurückgelassen haben.“ Einige Familienmitglieder wurden entführt und sind seitdem nicht mehr gesehen worden. „Mein 12-jähriger Sohn wurde mitgenommen, und wir wissen nicht, wo er ist oder ob er noch lebt“, sagt Jamal, 37, ein Zimmermann. Alle Menschen, die auf der Flucht sind, erzählen ähnliche Geschichten von Tod, Verlust, Angst und Schrecken. Allein im ersten Quartal 2024 wurden 189.000 Menschen neu vertrieben. Insgesamt 205 Sicherheitsvorfälle in der ersten Jahreshälfte haben ganze Gemeinden gezwungen, alles zurückzulassen und zu fliehen.
„Es gab keine Lebensmittel mehr“
„Wir haben die Angriffe überlebt, aber wir haben weiter gelitten. Am Anfang wurden Lebensmittel verteilt, aber dann gab es einfach keine mehr“, sagt Zacarias. Die Mittel für die internationale Hilfe reichen nicht aus, um die Bedürfnisse der vom Konflikt betroffenen Menschen zu decken. Im Oktober ist der Plan für 2024 für humanitäre Hilfe in Mosambik nur zu 37,7 % finanziert. „Wir hatten Hunger, also beschlossen wir, nach Hause zurückzukehren. Es ist besser, zu Hause zu leiden als in der Fremde“, so Zacarias weiter. 632.000 Menschen, die in den letzten sieben Jahren aus ihren Häusern fliehen mussten, sind inzwischen in ihre Dörfer zurückgekehrt. Mit 1,7 Millionen Menschen, die in dem Konfliktgebiet humanitäre Hilfe benötigen, stehen die Gemeinden vor zahlreichen Herausforderungen: Ernährungsunsicherheit, fehlender Zugang zu Wasser und Unterkünften, Einkommensverluste, zerstörte Infrastruktur und Traumata.
Ein Großteil der Geflüchteten konnte nichts mitnehmen. Das Vieh wurde zum Sterben zurückgelassen. Die Felder sind nicht bewirtschaftet. Die Ernte fällt aus, und die Bewirtschaftung der Felder in der Umgebung der Notunterkünfte oder der Umsiedlungsgebiete ist ohne geeignete Werkzeuge und Zugang zu Wasser unmöglich. „Unsere Familien sind derzeit im Busch unterwegs, um Wasser zu finden“, erklärt Ancha, 50. Wasser zu finden, ist eine große Herausforderung. Flüsse sind weit entfernt, Wasserlöcher sind wegen der Dürre ausgetrocknet, und das Grundwasser ist zu salzig, um es zu trinken. Der Bau neuer Bohrlöcher ist sehr teuer. „Wenn wir Wasser finden, sieht es so aus“, sagt Ancha und hält eine Flasche mit milchigem, gelblichem Wasser hoch. „Es macht uns sehr krank, aber es ist das einzige Wasser, das wir haben“, fügt sie hinzu, gießt das Wasser in einen Plastikbecher und trinkt ein paar kostbare Tropfen.
Durch den Konflikt ist der Zugang zu Wasser noch schwieriger geworden. In den ländlichen Gemeinden haben nur noch 37 % der Menschen Zugang zu Trinkwasser. Um auf diese Notlage zu reagieren, errichtet CARE mit Unterstützung der ADA Wasserlöcher, saniert Wassertanks und Latrinen, verteilt Saatgut und landwirtschaftliche Geräte und bietet Schulungen zur klimagerechten Landwirtschaft an, um die Gemeinden bei der Anpassung an die Herausforderungen des Klimawandels zu unterstützen.
Mit Spargruppen gegen die Not
Auch die Suche nach einer angemessenen Unterkunft ist eine große Herausforderung. Viele leben in Hütten aus Stöcken und Lehm. „Diejenigen, die Glück haben, haben eine Plastikplane für den Fall, dass es regnet, aber die meiste Zeit kauern wir zusammen und warten, dass der Regen aufhört“, sagt Ancha. Einige Hütten sind mit alten Kleidern bedeckt, die zum Schutz auf dem Dach ausgebreitet sind, während andere nur zerrissene Streifen von Planen haben, die vom Wind zerstört wurden. Da die Menschen nach der Flucht aus ihren Häusern keine Einkommensquelle haben, fehlt ihnen das Geld, um bessere Unterkünfte zu bauen. Deshalb hat CARE in diesen Gemeinden Spargruppen eingerichtet. Gemeinsam sparen die Mitglieder kleine Beträge, erhalten Kredite und unterstützen sich gegenseitig. „Mit meinem Ersparten möchte ich ein besseres Haus bauen. Eines, das Stehen bleibt, wenn es regnet“, sagt Fatima, 50, Mitglied einer Spargruppe, die sich ‚So fängt das Leben an‘ nennt. Amina, 35, gibt das Geld für ihre Kinder aus. „Ich kann damit Schulmaterial für meine Kinder kaufen. Bücher, Taschen und Stifte. Vor der Spargruppe hatte ich keine Hoffnung, meine Kinder zur Schule schicken zu können“, sagt sie.
Bewältigung von Angst und Verlust
Im Konfliktgebiet bleiben viele Schulen geschlossen. Die Lehrkräfte sind geflohen und haben zu viel Angst, um zurückzukehren. „Meine Kinder sind seit vier Jahren nicht mehr zur Schule gegangen. Ich fühle mich hilflos und als würde ich versagen. Die Zeit vergeht. Meine Kinder wachsen heran, und ich mache mir Sorgen, dass sie keine Zukunft haben werden“, sagt Jamal. Darüber hinaus wurden die Gesundheitszentren in vielen Gemeinden nicht wiedereröffnet. 80 % der Gesundheitszentren in den am stärksten vom Konflikt betroffenen nördlichen Bezirken von Cabo Delgado sind nicht funktionsfähig. „Wenn wir Medikamente erhalten, sind sie innerhalb weniger Stunden aufgebraucht. Unser Baby hatte vor einer Woche Fieber, und es gibt hier niemanden, der uns helfen kann. Es gibt keine Impfungen für die Kinder und keine Unterstützung bei der Geburt“, beschreibt Zacarias.
Zu all den Herausforderungen kommt noch hinzu, dass die Gemeinden ein Trauma erlebt haben. Um den Menschen zu helfen, mit Angst und Verlust umzugehen, bietet CARE-Schulungen und psychosoziale Unterstützung an. „Ich habe gelernt, wie ich mit dem Geschehenen umgehen kann. Es hilft, wenn man hört, was andere Frauen durchgemacht haben. Wir haben gelernt, wieder eine Gemeinschaft zu sein, miteinander zu reden und ich kann mein Trauma in Worte fassen. Ich kann darüber sprechen, dass wir in den Busch geflohen sind und zurückkamen, um etwas zu essen zu finden, dass sie uns gefolgt sind und angefangen haben, uns zu töten. Dass mein Haus in Brand gesteckt wurde. Und dass es uns gelang, vor der Gewalt zu fliehen, wir aber 50 km vor unserem Ziel in einen Autounfall verwickelt wurden. Mein 4-jähriger Sohn war sofort tot“, schließt Ancha.
Joaquima, deren Bruder umgebracht wurde, macht sich Sorgen um die Kinder. „Seine Töchter haben das Schlimmste gesehen. Sie erinnern sich an alles. Ich weiß nicht, wie sie in Zukunft mit so etwas Schrecklichem fertig werden sollen“, sagt sie, bevor sie einen Eimer nimmt, um Wasser aus dem Fluss zu holen. Sie kommt an Häusern vorbei, die zerstört wurden. Das Dach eines blau und gelb gestrichenen Hauses ist eingestürzt. Es wurde angegriffen, weil es schön aussieht. Es hat gebrannt. Eine einzige schwarze Rauchsäule stieg in den Himmel.
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