
Ayom Dengs Finger stocken nicht mehr, wenn sie Stoff durch die Nähmaschine führen - jetzt bewegen sie sich mit Sicherheit und nähen die Zukunft zusammen, die sie nie für möglich gehalten hätte. Die 28-Jährige lebt mit ihren vier Kindern in einer kleinen Stadt im Norden des Südsudan. Das Leben hier ist von Herausforderungen geprägt, aber in letzter Zeit wendeten sich die Dinge zum Besseren. In einem Frauenzentrum, das von CAREs Partnerorganisation „Coalition for Humanity“ betrieben wird, sitzt Ayom hinter einer Nähmaschine. Der Raum ist belebt, überall hört man die Gespräche der Frauen und das rhythmische Spinnen der Fäden. Frisch genähte oder auf Reparaturen wartende Kleidungsstücke wiegen sich sanft auf den Wäscheleinen im Hintergrund.
„Ich bin hierher gekommen, um neue Fertigkeiten zu erlernen“, sagt Ayom und blickt auf den gemusterten Stoff auf ihrem Schoß. Seit drei Monaten macht sie ein Training für Schneiderinnen, eine Gelegenheit, die ihr etwas gegeben hat, was sie vorher nicht hatte - eine Zukunft, die sie mit ihren eigenen Händen aufbauen kann.
Eine Schuluniform für die Tochter
Bevor sie das Nähen lernte, kaufte und verkaufte Ayom Kleidung auf einem kleinen Markt, aber das Einkommen reichte kaum zum Überleben. „Ich ernähre meine Familie, da mein Mann keine Arbeit findet. Wir haben keine andere Einkommensquelle“, erklärt sie. Jede Woche verdiente sie nicht mehr als 5.000 Südsudanesische Pfund (SSP). Das hat im März 2025 ca. einem Euro entsprochen. Allerdings verliert die Währung so schnell an Wert, dass Online-Umrechner nicht mehr richtig funktionieren. Für Ayoms Familie reichte das Geld nie, um sich eine medizinische Behandlung zu leisten oder die Schulausbildung der Kinder zu finanzieren. Die Wirtschaft des Südsudan ist aufgrund der katastrophalen Inflation, die durch den anhaltenden Konflikt im benachbarten Sudan angeheizt wird, in eine Spirale geraten. Der südsudanesische Pfund ist zwischen Januar und Juli 2024 um über 70 Prozent abgewertet worden, sodass grundlegende Güter unerschwinglich geworden sind. Der Preis für Sorghum, ein Grundnahrungsmittel, schnellte um 256 Prozent in die Höhe - von 3.000 SSP auf 10.700 SSP innerhalb weniger Monate. Doch jetzt verdient Ayom bis zu 40.000 SSP (aktuell etwa 8 €) pro Woche - das Achtfache ihres früheren Einkommens.
Als sie ihr erstes Einkommen erhielt, zögerte sie nicht. „Mit dem Geld schickte ich meine neunjährige Tochter zur Schule. Sie war so glücklich und aufgeregt, als sie zum ersten Mal ihre Schuluniform anzog“, sagt sie und ihr Gesicht leuchtet auf. Sie spart jeden zusätzlichen Geldschein, um als nächstes ihre sechsjährige Tochter in die Schule zu schicken. Als Frau hat Ayom das Gefühl, eine wichtige Lektion gelernt zu haben: Dass sie selbst in der Lage ist, für ihre Familie zu sorgen, und dass sich die Zukunft ihrer Kinder mit dem, was sie jetzt weiß, verändern kann.

Gemeinsam aus der Armut
Am anderen Ende der Stadt, in einem anderen von CARE betriebenen Frauenzentrum, liegt der Duft von frisch gebackenem Brot in der Luft. Außerhalb einer kleinen Hütte steht Nyabol Mijok, 24, vor einem kleinen Ofen, ihre Hände sind weiß vom Mehl, während sie den Teig knetet. Der Ofen glüht vor Hitze. Einige Frauen geben schwarze Kohlen in die Flammen, während andere Schalen mit Teig zum Backen tragen. Die rhythmische Bewegung ihrer Finger, die kneten und falten, kneten und falten, spiegelt den gleichmäßigen Herzschlag einer Gemeinschaft wider, die zusammenarbeitet. Nyabol gehört zu einer Frauengruppe, die Brot backt und es in der Gemeinde verkauft. In einer Ecke ihres Versammlungsraums steht eine große blaue Metallkiste, verschlossen und schwer vom Gewicht ihrer gemeinsamen Arbeit. Hier bewahren die Frauen ihren Verdienst auf - über zwei Millionen SSP (aktuell rund 408 €) in nur zwei Monaten.


Für die Frauen ist das mehr als nur Geld. Es ist ein Sicherheitsnetz, eine Ressource, aus der sie Kredite für ihre Geschäfte oder Notfälle wie medizinische Behandlungen aufnehmen können. „Ich wusste nicht, wie man backt, bevor ich hierher kam, und ich freue mich sehr, dass ich neue Fähigkeiten erlernt habe“, sagt Nyabol und formt den Teig zu kleinen Brötchen. Ihre Bewegungen sind bereits routiniert, sodass ihr Kopf sich bereits mit der nächsten Aufgabe beschäftigen konnte: Nyabol hat ihr eigenes, kleines Unternehmen gegründet, welches ihr Einkommen aufbessert und dafür sorgt, dass ihre Kinder genug zu essen haben.

Die Rolle der Frau in der Gesellschaft
Um Nyabol herum sitzen Frauen auf gewebten Matten. Sie diskutieren über den Tagesumsatz, ihre Ersparnisse und die Zukunft; ihr Ehrgeiz ist dabei deutlich zu hören. „Es ist wichtig für uns Frauen, dass wir arbeiten können, denn früher waren wir Hausfrauen. Wir haben das Haus nicht verlassen. Jetzt handeln wir gemeinsam“, sagt Nyabol. „Das gibt uns Gewissheit, dass auch Frauen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können, und gibt uns allen das Selbstvertrauen, das wir brauchen, um uns in der Gesellschaft zu behaupten.“
Während das goldene Brot aus dem Ofen gezogen wird und Dampf in die späte Nachmittagsluft aufsteigt, machen die Frauen einen gelernten Handgriff nach dem nächsten. Die Brötchen werden sorgfältig in kleine Plastiktüten verpackt und für den Verkauf vorbereitet. Sie sind ein Team.

In einem Land, in dem Inflation und hohe Preise Hoffnung zunichtemachen und das Überleben ein täglicher Kampf ist, haben diese Frauen Stärke gefunden - die Fähigkeit, ihre eigene Zukunft zu gestalten. Ayoms Nähmaschine brummt bis in den Nachmittag hinein, und Nyabols Ofen glüht den ganzen Tag. Ihre Widerstandsfähigkeit besteht darin, aufzustehen, ein neues Morgen zusammenzunähen und Hoffnung zu etwas Greifbarem zu kneten, etwas, das nicht nur ihre Familien, sondern eine ganze Gemeinschaft ernährt.
Unterstützen Sie mit Ihrer Spende Frauen wie Ayom und Nyabols auf ihrem Weg aus der Armut.