Von Karl-Otto Zentel, Generalsekretär CARE Deutschland-Luxemburg

„Helft nicht nur einzelnen Personen. Wenn ihr helfen wollt, dann gebt allen etwas. Alle brauchen Unterstützung.“ Diese Sätze sagt eine 13-Jährige und sie haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt.

Ich treffe Asmara bei meinem Besuch in Aden im Süden von Jemen. Die Region ist sehr stark von der Wasser- und Versorgungsnot betroffen. Asmara lebt bei ihrer Großmutter. Da diese krank ist, muss Asmara jeden Tag den langen beschwerlichen Weg auf sich nehmen, um Wasser für die Familie zu holen. Das ist im Jemen traditionell Frauensache. Doch besonders für junge Mädchen wie Asmara ist der lange Weg gefährlich. Seit 2015 stieg die Zahl der gemeldeten Vorfälle von sexueller Gewalt um 70 Prozent.

An der Wasserstelle muss Asmara oft stundenlang warten. Es bilden sich endlose Schlangen – alle brauchen Wasser, denn seit Beginn des Konflikts haben mehr als 19 Millionen Menschen nicht ausreichend Zugang zu sauberem Wasser. Es dauert viele Stunden, bis sie mit dem Wasser wieder in ihr Dorf zurückkehrt. Um zu überleben, musste sie daher die Schule abbrechen. Bei jetzt schon über 30 Grad gibt es für sie aber keine Alternative. Für Bildung ist in dieser Not einfach kein Platz mehr.

Ein Mädchen steht vor leeren Wasserkanistern und blickt traurig in die Kamera.

CARE im Jemen: Empowerment für Frauen und Mädchen

Das Schicksal des jungen Mädchens zeigt deutlich ein weiteres, großes Problem im Jemen. Vor allem in den ländlichen Regionen im Jemen ist es für Kinder und Jugendliche schwierig, den so wichtigen Zugang zu Bildung zu bekommen. Es fehlt zudem an Infrastruktur und/oder Chancen zur beruflichen Ausbildung. Um ihnen diese Möglichkeiten zugänglich zu machen, liegt ein Schwerpunkt der Arbeit von CARE in der Verbesserung der Wasserversorgung. Der Bau von Wassertanks soll die Wege zu den Wasserstellen verkürzen und eine breitere Verteilung gewährleisten. Neben der Verbesserung der Wasserversorgung ermöglicht CARE Jugendlichen, insbesondere Mädchen, eine dreimonatige Berufsausbildung – damit Kinder wie Asmara eine Chance auf eine bessere Zukunft haben.

Außerdem unterstützt CARE Betroffene mit Krediten, Geräten und Know-How und ermöglicht ihnen so, Kleinunternehmen zu gründen. Bujja ist eine von ihnen. Inmitten dieser turbulenten Zeiten versucht sie sich eine Existenz aufzubauen, um das Einkommen und Überleben ihrer Familie zu sichern.

Mit einem Kredit aus dem CARE-Projekt hat sie eine Konditorei eröffnet. Dazu hat sie an einer Hauptverkehrsstraße einen kleinen Laden gebaut. Ein kleines, gemütliches Geschäft, das mit seiner ungewöhnlichen und modernen Ausstattung in einer Stadt wie Aden Aufmerksamkeit erweckt.

Sie erzählt mir, dass ihr Vater durch den Krieg seine Arbeit verloren hat. Inzwischen unterstützt er sie in ihrem Geschäft und leitet den Verkauf. Pläne hat sie viele. Da muss zunächst der Kredit zurückgezahlt werden, dann soll der Laden vergrößert werden und vor allem warten noch viele Rezepte darauf ausprobiert und weiterentwickelt zu werden.

Bujja und Karl-Otto im Dialog.

Geschlechtergerechtigkeit in Krisenzeiten

Bujja berichtet mir, dass sie zunächst mit vielen Anfeindungen konfrontiert war. Eine Frau, die ein Geschäft führt – in einem traditionellen Land wie Jemen zunächst eine Seltenheit.

Mittlerweile ist Bujjas Geschäft ein Beispiel für das Aufbrechen der traditionellen Geschlechterrollen im Jemen. Die Männer erkennen zunehmend den Nutzen darin, dass ihre Frauen arbeiten. Denn den Menschen fehlen die Einkommensmöglichkeiten. Viele Männer gingen vor Ausbruch des Konflikts für mehrere Monate als Lohnarbeiter nach Saudi Arabien. Das ist nun nicht mehr möglich. Besonders betroffen ist der öffentliche Sektor. Etwa ein Viertel aller Jemeniten war dort vor dem Krieg tätig. Dieser ist durch den Konflikt komplett zusammengebrochen. Die Menschen haben seit einem halben Jahr kein Gehalt mehr bekommen. Daher zählt gerade jetzt jede Einnahme zum Überleben.

Trotz Bujjas Vorreiterfunktion im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit drängt sich die Frage auf, ob die Zukunft ihres kleinen Start-Ups nicht genauso ungewiss ist wie die Zukunft ihres Landes. Beides droht durch den Krieg zu scheitern, wenn nicht bald gehandelt wird.

Der erste Blog von Karl-Otto Zentel: Reise in eine „vergessene" Krise.

Der letzte Blog von Karl-Otto Zentel: „Zurück in Deutschland"

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