Nach der Rückeroberung ihrer Heimatorte sind einige geflüchtete Familien in den Nordirak zurückgekehrt. Für sie ist das Leben in den oft schwer zerstörten Ortschaften eine Herausforderung: Seit der Konflikt im Jahr 2014 ausbrach, wurde ein Großteil der Infrastruktur zerstört. In Orten wie Bashiqa wird es lange dauern, wieder ein funktionierendes Wasser- und Stromnetz aufzubauen. Die Familien stehen vor dem Nichts, wenn sie nach Hause kommen.

Andere Familien leben nach wie vor in Camps für Binnenflüchtlinge, die im ganzen Nordirak verteilt sind. Hier sind sie zumindest in Sicherheit, denn nach Hause trauen sich viele nicht. Das betrifft insbesondere die Ezid:innen, die 2014 über das Sinjar-Gebirge flüchten mussten. Bis heute sind etwa 94.500 Vertriebene in ihre Heimat zurückgekehrt, während mehr als 300.000 weiterhin im eigenen Land auf der Flucht sind.

Wir treffen einige von ihnen: Frauen, die nach Hause zurückgekehrt sind und solche, die nach wie vor in Flüchtlingscamps leben. Sie berichten vom Leben, das sie führen – und den Sorgen, die sie plagen.

Suham: „Wir brauchen jede Hilfe, denn wir haben nichts“

„Das Leben hier im Camp ist sehr hart“, berichtet Suham, ihren kleinen Sohn auf dem Schoß. Sie lebt seit drei Jahren im Chamisku Flüchtlingscamp. Mehrere Verwandte sind in der Region Sinjar zurückblieben, als Suham geflüchtet ist. Von ihnen hat sie seither nichts mehr gehört. Suhams Ehemann geht keiner regelmäßigen Arbeit nach, sondern verdient sein Geld als Tagelöhner. Sein Einkommen und die zusätzliche Unterstützung, die die Familie von Hilfsorganisationen erhält, reichen gerade so zum Überleben. Suham fürchtet sich schon vor dem Sommer: „In den Sommermonaten wird es hier unerträglich heiß, im Winter hingegen fürchterlich kalt. Wir haben lediglich einige Decken und ein Zelt, das uns im Sommer vor der Sonne und im Winter vor der Kälte schützt.“ Die vierfache Mutter hat seit vielen Jahren eine schwere Verletzung an der Hand, die es ihr unmöglich macht, zum Familieneinkommen beizutragen. „Ich war beim Arzt. Er hat gesagt, das muss operiert werden. Aber das Geld dafür haben wir nicht.“ Für ihre Kinder wünscht sie sich eine gute Ausbildung und für sich selbst medizinische Hilfe. „Wir können jede Unterstützung brauchen“, meint sie. „Denn wir haben nichts.“

 

Fatima: „Ohne Blumen können wir nicht überleben“

Das erste, was an Fatimas Zelt im Vertriebenencamp schon von weitem auffällt, ist die überwältigende Blumenpracht ringsherum. „In Sinjar hatten wir einen wunderschönen Garten und ein prächtiges Haus“, erzählt die 45-jährige mit sanftem Lächeln. „Zumindest möchte ich es hier im Camp ein wenig schön haben. Die Pflanzen helfen mir dabei“, verrät sie. „Ohne Blumen könnten wir nicht leben.“

Ihre gesamte Familie wurde aus der Region Sinjar vertrieben. Seit 2014 leben sie in einem Camp für Vertriebene im Norden der Autonomen Region Kurdistan. Fatima gibt die Hoffnung nicht auf, eines Tages in die Heimat zurückkehren zu können. Doch sie glaubt, dass das so schnell nicht möglich sein wird. Für Ezid:innen als religiöse Minderheit wäre es nach wie vor zu unsicher in der Region, aus der sie brutal vertrieben wurden.

Das Haus von Fatimas Familie wurde nicht zerstört, allerdings wurde der gesamte Besitz geplündert – die Familie konnte damals nur mit dem Notwendigsten fliehen. Die Sehnsucht nach der Heimat, nach ihrem wunderbaren Garten ist groß. „Aber das Leben im Camp ist schon in Ordnung“, sagt Fatima. Ihr Ehemann arbeitet als Lehrer und ihre Kinder studieren oder gehen zur Schule. Sohn Bilchar, ein charismatischer und gesprächiger junger Mann, der seiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten ist, studiert Englisch an der Universität in Dohuk.

Amina hat ihr Kind auf dem Schoß und lacht.

Amina: „Nach neun Kindern will ich keines mehr“

„Das ist das letzte Kind für mich. Ich möchte eigentlich keine weiteren mehr haben“, beginnt Amina im Gesundheitszentrum in Zumaar zu erzählen. Ihr Neugeborenes hat sie heute zuhause gelassen, dafür ihre kleine anderthalbjährige Tochter mitgebracht. Sie ist krank und Amina möchte wissen, was ihr fehlt. Die beiden haben noch sieben weitere Geschwister. „Aber meinen Mann muss ich noch davon überzeugen, dass jetzt Schluss ist“, lacht Amina. „Er liebt Kinder.“

Amina, die mit ihrer Familie eine Zeit lang in einem Camp für intern Vertriebene leben musste und jetzt wieder in ihren Heimatort zurückgekehrt ist, nimmt heute an einem Kurs für Mütter teil, den CAREs Partnerorganisation Harikar organisiert. Rund 15 Frauen sind heute hier, alle mit einem kleinen Bündel im Arm, in dem sich ein Neugeborenes befindet. In diesem Kurs lernen die Frauen, die oft schon mehrere Kinder haben, alles über Hygiene, Stillen und Familienplanung. Anschließend erhalten sie ein CARE-Baby-Paket, in dem sich Windeln, Babykleidung und Hygieneartikel befinden. Um an dem Kurs teilzunehmen, muss Amina eine weite Strecke zurücklegen. Denn in ihrem Dorf gibt es keine medizinische Betreuung oder Gesundheitsstationen für Mütter. Was sind ihre Wünsche an die Zukunft? „Dass meine Kinder eines Tages zur Schule gehen können. Und dass sie ein besseres Leben haben werden.“

Kocher: „Haben meine Kinder überlebt?“

Kochers einzige Hoffnung ist, dass ihre drei verschwundenen Kinder überlebt haben. Jeden Tag wartet sie auf ein Lebenszeichen von ihnen. Daneben verblassen alle anderen Sorgen, die es hier im Chamishku Camp für Binnenflüchtlinge ebenfalls gibt – wie etwa, dass ihr Ehemann nicht arbeiten kann, weil er krank ist, und die Familie auf die Unterstützung durch Hilfsorganisationen angewiesen ist. Darunter leidet die Familie, die seit neun Monaten im Chamishku Flüchtlingscamp lebt, sehr.

Kocher und ihr Mann haben neun Kinder. Damals, 2014, als sie aus der Sinjar Region flüchten mussten, wurde die Familie von drei der Kinder getrennt. Seitdem gibt es keinen Kontakt mehr, die Eltern wissen überhaupt nichts über ihren Verbleib. Die Sorge darüber überschattet die Gegenwart und die Zukunft – und auch die Dankbarkeit, selbst den Bewaffneten entronnen zu sein.

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