Grüne Wiesen und blauer Himmel, so weit das Auge reicht. Die Sonne scheint, rundherum erwacht die Natur. Es ist grün hier im Nordirak. Doch der schöne Schein ist trügerisch. Denn in der Gegend um Bashiqa, die weithin für ihre Olivenbäume berühmt ist, ist beinahe nichts mehr, wie es einmal war. Die Stadt im Nordirak zählte einst 12.000 Einwohner, die hier zusammenlebten: Christen, Eziden, Muslime. Heute, nach der Rückeroberung von Bashiqa, haben es gerade einmal 258 Familien gewagt, wieder einen Fuß in die einst lebendige Stadt zu setzen. Die Straßen sind verlassen. Die Häuser wurden entweder zerstört oder beschädigt. Wir befinden uns gerade einmal 15 Kilometer von Mossul entfernt, der zweitgrößten Stadt und einem der größten Schlachtfelder des Irak. Heute ist ausnahmsweise kein Donnern und Beben von den Kämpfen zu spüren.

Den Familien, die jetzt zurückkommen, fehlt es an allem. Die Infrastruktur – darunter das Wassernetz, Stromversorgung, Krankenhäuser –  ist völlig zerstört. Das Ausmaß der Zerstörung ist überwältigend.

Leben ohne Privatsphäre

Die 33-jährige Sawsan ist Mutter von vier Kindern, die zwischen einem und 16 Jahren alt sind. Die Familie musste fliehen und lebte in den vergangenen Jahren unter schwierigen Bedingungen in Nordiraks Hauptstadt Erbil. Nach der Rückeroberung Bashiqas kehrte sie in ihre Heimatstadt zurück. „Wir leben hier gemeinsam mit fünf anderen Familien unter einem Dach“, erzählt Sawsan. Der Wohnraum ist beengt, Privatsphäre oder eine Rückzugsmöglichkeit kaum vorhanden. Dennoch hat Sawsan ihre Fröhlichkeit bewahrt, ihr Strahlen steckt an. Woher sie diese positive Energie nimmt? Sie kann es selber nicht beantworten. „Aber es soll so bleiben“, sagt sie. „Inschallah.“

Sawsans größte Sorge war das Trinkwasser, das sie jedoch mittlerweile neben Decken, Matratzen, Leuchten, Hygiene- und Küchen-Paketen, Zeltplanen und Winterkleidung von CARE und der lokalen Partnerorganisation Ausra al Iraqi erhält. „Das Haus meiner Eltern wurde niedergebrannt, sie stehen vor dem Nichts.“ Sawsans Mann hat in einem weiter entfernten Ort eine Arbeit gefunden, was hier keinesfalls selbstverständlich ist. In Bashiqa selbst gibt es keine Einkommensmöglichkeiten für die Familien.

„Die Schule ist zu teuer“

Das wenige Geld, das Sawsans Familie zur Verfügung hat, reicht bei weitem nicht aus. Die älteste Tochter kann die Schule nicht mehr besuchen, weil sich die Familie das Schulmaterial und den Transport nicht leisten kann. An 30 irakischen Schulen findet seit Anfang des Jahres wieder Unterricht statt, mehr als 23.000 Kinder gehen wieder regelmäßig zur Schule. Doch noch immer bleiben viele Bildungseinrichtungen geschlossen. So auch die einzige Schule in Bashiqa. Deshalb müsste Sawsans Tochter in eine andere Stadt fahren. „Meine Tochter nimmt es mir übel, dass ich das Geld für die Schule nicht aufbringen kann. Sie möchte unbedingt Ärztin werden und das geht natürlich nur mit einer Ausbildung. Aber was soll ich machen? Ich will sie ja zur Schule schicken, weil ich weiß, wie wichtig das ist. Aber unser Geld reicht gerade zum Überleben aus.“

Sawsans größter Wunsch für die Zukunft? „Dass die Schule hier bald wieder öffnet. Es ist schlimm, wenn die Kinder zur Schule gehen wollen, aber nicht können. Ich möchte, dass meine Tochter wieder glücklich ist.“