Als Sicherheitsbeauftragter leben Sie gefährlich. Wie gehen Sie mit diesem Risiko um?

Am wichtigsten sind Informationen. Bevor ich mit dem Team in eine neue Region fahre, informiere ich mich bei lokalen und internationalen Organisationen, in den Medien und anderen Quellen über die aktuelle Lage vor Ort. Dann findet eine Risikoanalyse statt, die sehr wichtig ist, um eine genauere Vorstellung der Situation zu bekommen. Die Vorbereitung kann relativ lange dauern, je nachdem, in welches Gebiet wir fahren wollen. Aber diese Einschätzungen und Herausforderungen gehören mittlerweile zu meinem Alltag. Es ist einfacher für mich geworden, Missionen in unbekannte Gebiete zu überwachen und zu kontrollieren. Trotz der Risikoanalyse können wir aber natürlich nicht einfach in mögliche Gefahrenzonen spazieren. Restrisiko und ein gewisses Stresslevel bleiben, egal wie gut die Vorbereitung ist. Das ist aber auch gut so, weil es dabei hilft, konzentriert, vorsichtig und wachsam zu bleiben.

Stichwort: Work-Life-Balance. Wie schaffen Sie den Ausgleich zwischen diesen Risikosituationen und Ihrem Privatleben?

Ich habe mich an diese Missionen gewöhnt und fühle mich mental gut vorbereitet. Vor meiner Zeit bei CARE und mit CARE habe ich an zahlreichen Trainings teilgenommen. Trotzdem kommt manchmal Stress auf. Letztes Jahr etwa sind wir mit zwei internationalen Kolleginnen in die zerstörte Altstadt von West Mosul gefahren. Unser Auftrag war es, die humanitäre Situation zu erfassen und über sie zu berichten. In der Altstadt reiht ein zerstörtes Haus das andere, fast alle Fassaden sind von unzähligen Schusslöchern durchdrungen, unter Schutt und Asche lauert die Gefahr von Blindgängern. In solchen Gebieten müssen Gruppenbildungen vermieden werden, es ist besser keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es lag in meiner Verantwortung alle Mitglieder der Gruppe wieder sicher nach Dohuk zu bringen, das kann herausfordernd sein, vor allem wenn die Interessen auseinandergehen. Aber ich habe diese Situation gemeistert und zum Glück auch noch nie eine wirklich gefährliche oder traumatisierende Situation erlebt.

Sollte Ihnen oder Ihren Teammitglieder etwas zustoßen, welche Art der Hilfe können Sie in Anspruch nehmen?

Es gibt bestimmte Phasen vor einer Mission, während einer Mission und nach einer Mission, die wir abhaken wie eine To-Do-Liste. Wir verfügen über Evakuierungspläne, wir wissen, wo wir medizinische Hilfe erhalten können und berichten auch permanent an die Zentrale, wenn wir neue Gebiete bewerten oder unsere Projekte besuchen. Wenn jemand mit einer herausfordernden Situation oder einem traumatischen Zwischenfall konfrontiert ist, kann psychologische Unterstützung in Anspruch genommen werden – aber glücklicherweise hatten wir keinen größeren Vorfall seit ich bei CARE arbeite.

Vor fünf Jahren hat der IS die Sindschar-Region attackiert und später die Kontrolle über Mosul übernommen, der zweitgrößten Stadt im Irak. Hundertausende Menschen waren gezwungen zu fliehen. 2017 wurde Mosul nach schweren Kämpfen dann zurückerobert. Wie hat sich die Sicherheitslage seitdem verändert?

Sicherheitsrelevante Vorfälle sind definitiv zurückgegangen. Aber es gibt immer mal wieder unvorhersehbare Ereignisse, besonders in West-Mosul und im Süden von Sindschar. Vor ein paar Wochen zum Beispiel wurde ein Auto, das zur Grenzregion zwischen dem Irak und Syrien gefahren ist, von einem improvisierter Sprengkörper getroffen. Es war zwar keines unserer Autos, aber das hätte es durchaus sein können, weil wir häufig dieselbe Straße nutzen, um etwa Gemeinden zu besuchen, in denen CARE Projekte durchführt.
Im Allgemeinen stellen die Bewegungen des IS, Blindgänger und Sprengköper – einige von ihnen neu, andere noch aus dem Krieg – die größten Bedrohungen dar. Es gibt aber auch politische Spannungen, die das tägliche Leben im Irak beeinflussen. Der Zugang zu Menschen in Not bleibt für uns als humanitäre Helfer dabei die größte Herausforderung. Denn die Genehmigungen, in bestimmte Gebiete zu reisen und unsere Programme umzusetzen, ist extrem zeitaufwendig und erfordert viel Papierarbeit. Aber es ist unsere einzige Option, Menschen in Not zu helfen, und deshalb ist es dringend notwendig und definitiv die Mühe wert.

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