„Das ist das einzige Essen, das in meinem Haus übrig ist. Mehr gibt es nicht“, sagt Missra, 20, und taucht ihre Fingerspitzen in den weißen Maisbrei. Sie formt eine kleine Kugel, weniger als einen Löffel voll, und isst sie, dann legt sie die Schüssel zur Seite. „Das muss für meine beiden Kinder und mich für die nächsten 24 Stunden reichen“, sagt sie und schiebt ihre schlafende sieben Monate alte Tochter Heluwa näher an ihren Körper. Missra und ihre beiden Kinder leben in einem kleinen Zimmer neben der Hauptstraße in der ländlichen Gegend von Dire Dawa, Äthiopien. Der Raum ist dunkel und leer. Alte Weizensäcke, die mit Gras gefüllt sind, dienen als Kissen. Eine Matratze, zwei Wasserkanister, eine Schüssel, ein Teller, ein Löffel, ein Schrank und ein Huhn vervollständigen die gesamte Einrichtung. „Mein Mann ist in die Stadt gegangen, um Arbeit zu finden. Er schläft draußen auf der Straße, um die Kosten für die Unterkunft zu sparen. Alle drei Tage kommt er hierher und bringt uns zwischen 100 und 200 Birr (1,63 - 3,25 €). Das muss uns für die nächsten 72 Stunden reichen, bevor er zurückkommt“, erklärt Missra.
1,63 € für 72 Stunden
Früher war die kleine Familie völlig von der Landwirtschaft abhängig, aber die lange und schwere Dürre macht den Landwirt:innen schwer zu schaffen. „Es ist nicht genug zum Überleben. Früher konnten wir jedes Jahr zwei Säcke mit 50 kg Sorghum ernten, nachdem es im Juni geregnet hatte. Unsere letzte richtige Ernte, von der wir unabhängig überleben konnten, war 2020, also vor vier Jahren. Aber es ist jedes Jahr weniger geworden. In diesem Jahr ist das ganze Sorghum vertrocknet, und wir können es nur noch als Futter für die Kühe verkaufen“, sagt Missra und hebt einen trockenen Sorghumkolben vom Boden auf, der bereits zu Staub zerfällt. Der Anbau und die Ernte von Sorghum reichten der Familie aus, um alle Ausgaben zu decken. „Jetzt sind wir auf das wenige Geld angewiesen, das mein Mann mitbringen kann. Er kam vorgestern und brachte uns 200 Birr (3,25 €). Vielleicht kommt er morgen mit weiteren 100 Birr (1,63 €)“, sagt Missra.
Mit dem Geld, das er bringt, rechnet Missra genau aus, was sie damit kaufen kann. Sie verwendet 10 Birr (0,16 €) für Salz, 20 (0,33 €) für eine viertel Kelle Zucker, 150 (2,44 €) für 1,5 kg Haferbrei und 20 Birr für Wasser. Wenn sie weniger als 200 Birr hat, reduziert sie das Pulver auf ein oder ein halbes Kilo. Das Pulver, Salz, Zucker und Wasser werden dann zu einem weißen Brei gemischt, der für sie und ihre Kinder 72 Stunden lang ausreichen muss. Der einzige „Luxus“, den sie hat, ist das Huhn, das jeden zweiten Tag ein Ei legt. „Ich verkaufe das Ei für 7 Birr (0,11 €) und kaufe ein Brot für 5 (0,08 €), das ich meinem Sohn gebe. Den Rest hebe ich auf, bis ich genug für ein weiteres Brot habe“, sagt die Mutter und stellt einen kleinen Teller auf die Schüssel, um die vielen Fliegen vom Brei fernzuhalten.
Nicht genug Nährstoffe
„Ich gebe zuerst meinen Kinder Essen. Sie hungern so schnell, aber ich kann ihnen nur eine kleine Handvoll geben. Selbst wenn wir essen, kann das nicht wirklich als Essen gelten, weil es nicht die Nährstoffe enthält, die wir brauchen. Es ist drei Monate her, dass ich irgendeine Art von Obst oder Gemüse gegessen habe. Und wir denken nicht einmal an Fleisch. Ich habe es noch nie wirklich probiert, weil es für uns zu teuer ist“, erklärt Missra. Sie versucht, so viel wie möglich selbst zu essen, nachdem ihre Kinder das bekommen haben, was sie brauchen. „Im Durchschnitt esse ich an drei Tagen in der Woche nichts, weil wir nicht genug für alle haben. Ich muss essen, damit ich Heluwa stillen kann. Seit einem Monat habe ich aber keine Muttermilch mehr produziert“, sagt sie und schaut auf ihre schlafende Tochter hinunter. Heluwa nuckelt im Schlaf. Missra lässt sie manchmal stillen. „Es kommt zwar nichts raus, aber es beschäftigt sie“, sagt sie und wird emotional, weil sie nichts mehr tun kann, um ihre Tochter zu ernähren. Sie wischt sich die Tränen mit ihrem roten Kopftuch ab und zeigt auf den Brei. „Ich gebe ihrem Brei mehr Wasser dazu, damit sie genug Flüssigkeit zu sich nimmt, denn sie trinkt das Wasser noch nicht“, sagt sie.
Einen ganzen Monat lang kein Wasser
Auch die Wasserbeschaffung ist für die junge Mutter eine große Herausforderung. Jeden Tag läuft sie 20 Minuten durch die Hitze zu einem privaten Wasserhahn, einen Kanister auf dem Rücken und ihre Tochter auf der Hüfte. „Oft komme ich mit leeren Händen zurück, wenn der Wasserhahn zugedreht ist. Ich weiß nie, wann wir wieder Wasser haben werden“, sagt sie. Manchmal gibt es wegen der Dürre einen ganzen Monat lang kein Wasser. „An guten Tagen trinken mein Sohn und ich einen Liter pro Tag. Die längste Zeit ohne Wasser für uns, waren zwei volle Tage. Das war sehr beängstigend, bis die Nachbarn uns Wasser zu trinken gaben“, erinnert sie sich. Nach zwei Tagen ohne Wasser beginnt der Körper abzuschalten. Die Körpertemperatur steigt an, das Blutvolumen verringert sich, der Blutdruck sinkt, das Verdauungssystem verlangsamt sich und es bilden sich Giftstoffe. Dies ist besonders für kleine Kinder gefährlich.
Missra hat ihr eigenes Geschäft, das sie mit Unterstützung eines von Beiersdorf finanzierten CARE-Projekts gegründet hat. Mit einem großen Plastiktopf verkaufte sie Gemüse und Früchte auf dem Markt. Als Ernährerin ihrer Familie waren sie auf ihr Einkommen angewiesen. Doch momentan ist sie in einer schwierigen Situation, denn erst musste ihre Tochter wegen einer schweren Durchfallerkrankung in der Klinik behandelt werden, dann wurde sie selbst krank, und dann fiel der Topf herunter und ging kaputt, und sie konnte sich noch keinen Ersatz leisten. „Ich habe vorher sehr hart gearbeitet, als ich noch in meinem Geschäft arbeiten konnte. Selbst die Kleidung, die ich jetzt trage, konnte ich mit dem Geld kaufen, das ich damit verdient habe. Ich bin sehr dankbar für die Chance und die Schulungen, die ich erhalten habe, denn jetzt weiß ich, was ich tun muss, um wieder arbeiten zu können. Es ist im Moment eine sehr schwierige Zeit, aber ich werde wieder anfangen und einen Weg finden, meine Familie zu ernähren“, sagt Missra abschließend. Die Zugehörigkeit zu einer CARE-Spargruppe gibt ihr eine Gemeinschaft, auf die sie sich verlassen kann. Sie kann Kredite aufnehmen und ihre Gruppe gibt Rückhalt in ihrer aktuellen Situation. Sie ist zuversichtlich, dass sie ihre Herausforderungen mit der Unterstützung durch CARE und ihrer Gemeinschaft meistern kann.
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