Faduz, 27, drückt ihr sieben Monate altes Baby Abdisalam fest an ihre Brust, während er mit dem roten Deckel eines leeren Kanisters spielt. Er greift nach dem Kanister und kippt ihn zu sich, als wüsste er, dass das Wasser normalerweise aus diesem Behälter kommt. Aber er ist leer. Und wird auf unabsehbare Zeit leer bleiben.

Faduz traegt ihren Sohn und einen leeren Wasserkanister

Faduz sieht ihren kleinen Sohn abwesend an und seufzt: „Ich habe nichts, was ich ihm geben könnte. Heute ist ein Tag ohne Wasser.“ Faduz und ihre fünf Kinder leben in einem Camp für Vertriebene in Somaliland. Rund 1.700 Familien, insgesamt 8.400 Menschen, nennen diesen Ort ihr Zuhause. Aufgrund des nur 30 km entfernten Konfliktes sind in den ersten sechs Wochen des Jahres 2025 bereits 200 neue Familien in das Camp gekommen, darunter auch Faduz' Familie. Jeden Tag werden es drei bis vier weitere, was die ohnehin geringen Ressourcen weiter belastet. 

Faduz selbst kam vor einem Jahr an. Die Erinnerung an ihre Flucht ist noch frisch und hat sich in ihr Gedächtnis eingebrannt: „Sie kamen morgens und brannten unser ganzes Dorf nieder.“ Sie bereitete gerade das Frühstück für ihre fünf Kinder vor, als das Geräusch von Schüssen den zerbrechlichen Frieden zerstörte. 

„Unsere Zeit ist abgelaufen“

„Es war nicht das erste Mal, dass wir Schüsse hörten. Ich musste herausfinden, in was für einer Situation wir uns befanden. Also habe ich abgewartet. Schweigend, lauschend. Ich sagte meinen Kindern, sie sollten absolut still sein.“ Doch dann kamen die Explosionen. Schwere Artillerie erschütterte den Boden unter ihnen. Schreie hallten durch das Dorf. „Als ich meine Nachbarn rennen sah, wusste ich, dass unsere Zeit abgelaufen war - sie kamen, um uns zu töten. Ich schnappte meine Kinder und rannte so schnell ich konnte.

24 Stunden lang liefen sie ohne Pause durch die Hitze. Der Staub schnürrte ihre Kehlen zu, während sie ohne Nahrung, ohne Wasser, nur mit dem Instinkt zu überleben, vorwärts stolperten. „Wir waren so müde. Meine jüngeren Kinder haben nicht verstanden, was passiert ist. Sie fragten mich ständig: ‚Was ist los? Wo ist unser Haus? Gehen wir zurück? Wohin gehen wir?‘“ Aber Faduz hatte keine Antworten. Wie sollte sie erklären, dass ihr Haus zerstört war? Dass ihr Leben in einem Augenblick gestohlen worden war? „Ich habe ihnen gesagt, dass wir eines Tages in unsere Heimat zurückkehren werden, aber dass sie jetzt nicht mehr existiert und wir eine neue Heimat finden müssen, damit wir überleben und zusammenbleiben können", erklärt sie.

Eine behelfsmaessige Behausung im IDP-Camp in Somaliland
Im Geflüchtetencamp in Ainabo fanden Faduz und ihre Kinder Zuflucht. Aktuell kommen hier täglich drei bis vier Familien an.

Wasser ist Leben

Bei ihrer Flucht blieb der Familie keine Zeit, etwas von ihren Habseligkeiten mitzunehmen. „Meine Hände konnten nichts tragen, da ich die Hände meiner Kinder hielt“, berichtet Faduz. „Mein Rücken konnte nichts aufnehmen, weil ich dort mein Baby trug. Meine Arme konnten nichts halten, denn ich drückte meine Kinder an meinen Körper, um sie vor den Kugeln abzuschirmen. Ich nahm meine Kinder und ließ alles andere zurück.“

Als sie das Geflüchtetencamp in Ainabo erreichten, war Faduz erleichtert über die Hilfsbereitschaft, die sie vorfand. Nachbarn teilten Lebensmittel. Sauberes Trinkwasser wurde von CARE bereitgestellt. Doch als die finanziellen Mittel ausgingen, konnte die Unterstützung nicht im gleichen Ausmaß aufrecht erhalten werden und der Wassertank versiegte. Die Suche nach Wasser wurde zum Kampf ums Überleben.

„Manchmal gibt es kein Wasser“, sagt Faduz. Die Wassertransportwagen, die 20 Liter für drei Dollar verkaufen, sind ein Luxus, den sich viele nicht leisten können. In ihrer Verzweiflung wendet Faduz sich an nahe gelegenen Brunnen, wohl wissend, dass das Wasser salzig ist und sie krank machen kann. Aber welche Wahl hat sie? 

„Wenn es kein Wasser gibt, dann fühle ich mich, als ob ich sterben würde. Ich werde sehr müde, habe starke Kopfschmerzen, mein Mund ist trocken, und mein Herz fühlt sich an, als würde es sehr stark gedrückt. Meine Gedanken verlangsamen sich und ich habe das Gefühl, dass ich nicht einmal meine Arme heben kann, um mein Baby zu halten.“ Wasser ist Leben. Ohne es gibt es nichts. 

Menschen fuellen ihre Wasserkanister
Eine Mutter nimmt einen Wasserkanister auf

Faduz leiht sich von Nachbarn Wasser, wenn sie kann, denn jede Familie lebt von der Freundlichkeit der anderen. Aber jeden Morgen wacht sie mit der gleichen Angst auf: „Ich weiß nicht, wo ich morgen oder übermorgen Wasser finden werde. Das ist das erste, was ich morgens nach dem Aufwachen mache: Ich gehe von Haus zu Haus und versuche, jemanden zu finden, der ein paar Tropfen entbehren kann“, sagt sie.

Die Sorgen nehmen zu

Mit dem nahenden Sommer wachsen die Sorgen von Faduz, denn die Brunnen werden ebenfalls trocken sein. Und auch das Wasser, das sie krank macht, aber ihr und ihrer Familie das Überleben sichert, wird weg sein. „Eines Tages wird es keine Lösung mehr geben. Eines Tages wird es nichts mehr geben. Eines Tages wird unser letzter Tag sein. Wir können nur hoffen, dass es bald regnen wird“, sagt sie.

Faduz macht sich ständig Sorgen. Sie sieht ihren Kindern dabei zu, wie sie im Staub spielen, ihre kleinen Hände sind mit Schmutz bedeckt, ihre Lippen sind vom Durst aufgesprungen. „Ich mache mir so viele Gedanken. Seit zwei Wochen habe ich nicht mehr genug Wasser, um die Kleidung meiner Kinder zu waschen. Ich hoffe nur, dass eines Tages jemand sieht, wie wir zu überleben versuchen, und dass das Wasser zurückkommt. Dass jemand von uns hört und kommt, um uns zu helfen.

Faduz mit ihrem Sohn Abdisalam auf dem Arm

Aber selbst in diesem Überlebenskampf gibt es auch Dankbarkeit. Hoffnung flackert in Faduz' Worten auf, in der Art und Weise, wie sie ihr Baby im Arm hält, in der Art und Weise, wie sie ihren Kindern dabei zusieht, wie sie die temporäre Schule von CARE besuchen. „Ich wünsche mir nur, dass meine Kinder überleben. Dass sie eine bessere Zukunft haben. Ich bin so dankbar, dass meine Kinder hier zur Schule gehen können und dass wir, wenn wir krank sind, das Gesundheitszentrum kostenlos besuchen können.“

Faduz' Leben ist zu einem Kampf ums Überleben geworden, ein täglicher Kampf gegen Durst, Hunger und Ungewissheit. Aber trotz alledem klammert sie sich an die Hoffnung - Hoffnung, dass die Welt sie nicht vergisst, Hoffnung, dass das Wasser zurückkommt, Hoffnung, dass ihre Kinder eine Zukunft jenseits des reinen Überlebens haben werden.

Bitte unterstützen Sie die CARE-Hilfe für Frauen wie Faduz mit Ihrer Spende - bitte schenken Sie Hoffnung!

Jetzt spenden