Ein Tor schließt sich mit einem lauten Knall, ein Esel fängt laut an zu schreien, ein Auto fährt über ein Schlagloch, oder ein Topf fällt auf den Boden und hallt durch das sonst so ruhige Flüchtlingslager. Wann immer sie ein lautes oder unerwartetes Geräusch hören, rennen drei Mädchen zurück in ihre kleine Hütte aus Lehm, Sand und Wellblech. Sie schreien nach ihrer Mutter und verstecken sich zwischen ihren Beinen.

Nimas Kinder posieren fuer ein Gruppenfoto.

Kein Gefühl von Sicherheit

Die Mädchen, Maysam (10), Baisam (6) und Maysoun (4), sind die Töchter von Nima (34). Sie flohen im Juni 2023 gemeinsam aus ihrer Heimatstadt Al-Fashir in Darfur, Sudan, in den Tschad. „Ich versuche, sie zu beruhigen, aber es ist nicht immer einfach, ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, wenn ich mich selbst nicht sicher fühle“, sagt Nima und hält ihr jüngstes Kind, den sechs Monate alten Cherif, der im Flüchtlingscamp geboren wurde.

Ihre Töchter wissen aus erster Hand, wie Krieg aussieht. „Sie kamen abends in unser Haus, und mein Mann wurde in die Schulter geschossen. Ich habe versucht, die Wunde mit allem zu verbinden, was ich finden konnte, und dann sind wir alle losgerannt. Sie drangen in die Häuser unserer Nachbarn und Freunde ein und schossen auf alle“, beschreibt Nima das Grauen.

Ihre Reise in den Tschad dauert fünf Tage zu Fuß durch die trockene Ebene. Nahrung und Wasser sind nirgends zu finden. An guten Tagen treffen sie auf ein Dorf, wo sie etwas zu essen und zu trinken bekommen. „Mein Mann blutete sehr stark. Wir gingen einfach weiter und folgten der Gruppe. Wir wussten nicht wohin wir gehen würden. Wir sind nur vor den Explosionen und Schüssen geflohen“, fährt Nima fort, und ihre Stimme wird leiser, während sie die drei Mädchen beobachtet, die auf dem kleinen Hof vor ihrer Hütte spielen.

Bis November 2024 sind 712.000 Flüchtlinge im Tschad angekommen. Die UN schätzt, dass diese Zahl bis Ende 2024 auf 910.000 ansteigen wird. 88 % der registrierten Geflüchteten sind Frauen und Kinder.

Nima zusammen mit ihren beiden juengsten Kindern.
Die 4-jaehrige Maysoun laechelt in die Kamera.

„Das ist Krieg"

„Als wir endlich im Tschad ankamen, war ich sehr glücklich und erleichtert. Für einen Moment habe ich die Angst vergessen“, sagt Nima. Doch die Angst schleicht sich bald wieder ein. Die Erinnerungen an das, was sie durchgemacht haben, verfolgen nicht nur sie, sondern auch ihre Kinder. „Meine Sechsjährige hat immer noch jede Nacht Albträume. Sie schreit: ‚Mami, sie kommen, um uns zu töten. Wir müssen weglaufen.'“

Das Trauma eines Konflikts hat besonders langanhaltende psychologische Auswirkungen auf Kinder. Sie müssen mit ansehen, wie ihr Zuhause zerstört wird und wie ihre Familienmitglieder, Nachbarn und Freunde verletzt oder getötet werden. Sie verstehen oft nicht, warum ihnen das widerfährt.

Nimas Mädchen stellen ihr eine Menge Fragen. „Aber wie soll ich ihnen den Krieg erklären? Was soll ich antworten, wenn sie mich fragen, was sie falsch gemacht haben und warum sie gejagt werden? Ich weiß es nicht. Das ist Krieg!“

Das Trauma ist auch bei den Erwachsenen präsent. „Mein Herz klopft immer noch so schnell. Ich wache mitten in der Nacht schreiend auf, weil ich die ganze Zeit Angst habe, dass sie hierherkommen und uns wieder töten. Solange ich Angst habe, fühle ich mich hier in diesem Camp nicht zu Hause. Ich brauche Frieden. Ich will, dass der Krieg aufhört. Dann kann ich mich wieder zu Hause fühlen“, sagt Nima.

Nima ist umringt von ihren Kindern und posiert mit ihnen für ein Gruppenfoto.
Nima ist glücklich, es mit ihrer Familie in den Tschad geschafft zu haben. Doch das Leben im Flüchtlingscamp stellt sie vor neue Herausforderungen.

Leben ohne Angst

Das Leben in einem Flüchtlingscamp im Tschad ist nicht einfach. Aufgrund fehlender internationaler Finanzierung erhalten Nima und ihre Familie nur in den ersten vier Monaten nach ihrer Ankunft Nahrungsmittelhilfe. Nachdem die Verteilungen eingestellt werden, müssen sie Wege finden, um sich selbst zu ernähren in einem Gebiet, in dem Überschwemmungen und Dürren zu wenig Ernten hinterlassen haben, um die Menschen in Not zu versorgen.

CARE stellte - mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union - Bargeld zur Verfügung, so dass Nima und ihre Familienmitglieder ihre Grundbedürfnisse decken konnten. „Mit dem Geld haben wir Mehl, Zucker und Salz gekauft. Seit wir das Geld haben, essen wir zweimal am Tag kleine Portionen. Aber jetzt sind nur noch sieben Kilo Mehl übrig. Und in fünf Tagen wird nichts mehr für meine Kinder, meinen noch immer verletzten Mann, meine drei Schwestern und mich übrig sein. Wir wissen nicht, was wir tun werden, wenn das Essen leer ist“, sagt sie.

 

Nimas Kinder nehmen eine Mahlzeit zu sich.
Nima ist umringt von ihren Kindern und zeigt eine Lebensmittelration.

Nima nimmt so oft wie möglich kleine Arbeiten im Camp an, aber in einer guten Woche findet sie nur zweimal Arbeit - bei weitem nicht genug, um ihre Familie zu ernähren. „Mein größter Wunsch ist, dass meine Kinder zur Schule gehen können, dass sie ohne Angst leben können und dass sie wieder einen Ort haben, den sie ihr Zuhause nennen können“, sagt Nima abschließend.

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Die Arbeit von CARE im Tschad

Das von CARE mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union durchgeführte Projekt im Distrikt Guéréda im Osten des Tschad konzentriert sich auf die Verbesserung der Gesundheits- und Ernährungssituation von gefährdeten Gruppen, insbesondere von Kindern unter fünf Jahren und schwangeren oder stillenden Frauen. Das Projekt gewährleistet den kostenlosen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen medizinischen Grundversorgung, einschließlich Screening und Behandlung von akuter Unterernährung, durch die Stärkung der Gesundheitssysteme. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören der Aufbau von Kapazitäten für das Gesundheitspersonal, die Ausstattung von Gesundheitszentren mit wichtigen Hilfsgütern, die Unterstützung von Überweisungssystemen und die Integration von WASH-Praktiken (Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene) in Gesundheits- und Ernährungsprogramme.