„Ich bin unglaublich durstig. Vor zwei Tagen habe ich das letzte Mal getrunken. Vor sechs Tagen das letzte Mal gegessen.“ So beginnt Maria, 20, ihre Geschichte.
Schwere Dehydrierung beginnt mit einem trockenen Mund und Kopfschmerzen, dann mit ausgetrockneten Lippen. Die Atmung wird schnell und flach und es kommt zu Schwindelgefühlen. Dann ergreift eine überwältigende Erschöpfung den ganzen Körper und verlangsamt alles. Die Bewegungen werden träge, die Gedanken stumpf. Die Funktionen des Körpers lassen langsam nach, bis keine Kraft mehr vorhanden ist. Dann kommt die Angst. So geschah es auch Maria, die daraufhin begann, in der trockenen, leeren Wildnis an der Grenze zwischen Sudan und Tschad nach Wasser zu suchen. Sie wusste nicht, wo sie ist. Sie ist einfach ihren Nachbarn hinterhergerannt und hat seitdem nicht mehr aufgehört.

Die erste Handvoll Sand ist am leichtesten zu heben, als Maria auf der heißen, weichen Oberfläche kniet, um zu graben. Der Sand gleitet ihr durch die Finger. Je tiefer sie gräbt, desto dichter wird der Sand und desto mehr muss sie ihre Armmuskeln einsetzen, um den Sand zu entfernen. Da sie kein Werkzeug hat, gräbt Maria mit bloßen Händen. Mit jeder Handvoll spürt sie, wie ihre Kraft sie verlässt. Sie gräbt und gräbt. Einen halben Meter. Einen Meter. Ihr Atem wird flach, und ihr Schwindelgefühl nimmt zu. Zwei Meter. Endlich fühlt sich der Sand nass an. Noch ein paar Mal schaufeln und es taucht eine kleine Pfütze mit Wasser auf. Sie formt sofort eine Kuhle mit den Händen und trinkt, spürt, wie das Wasser ihre ausgetrocknete Kehle hinunterläuft. Dann gibt sie ihrer Tochter etwas Wasser. Imtias ist sehr ruhig geworden - ihr Weinen hat aufgehört. Es gibt nicht genug Wasser für Tränen. Nicht genug Kraft fürs Wimmern.

Die Toten zurücklassen
Maria trägt Imtias auf ihrem Rücken, wenn sie laufen und gehen. Ein dünnes Tuch - ihr einziger Besitz - hält ihre Tochter fest an Marias geschwächtem Körper. Aber Imtias wiegt nicht viel. Nicht mehr.
Zusammen mit ihren Nachbarinnen, meist Mütter mit kleinen Kindern, waren sie aus dem Sudan geflohen. Manche Babys waren dabei so still, dass ihre Mütter nicht wussten, ob sie noch leben oder ob sie ihre toten Kinder auf dem Rücken trugen. Sie liefen, bis sie sich nicht mehr aufrecht halten konnten. Mitten im Nirgendwo ließen sie sich fallen. Die Sonne brannte heiß, nirgendwo gab es Schutz oder Schatten. Dann lauschten sie auf Explosionen und Schüsse. „Ich weiß nur, dass ich jetzt woanders bin, weil ich keine Schüsse oder Explosionen mehr höre“, sagt Maria.

Flucht vor einem Konflikt bedeutet Chaos. Man sieht und hört Nachbar:innen links und rechts von sich rennen, fallen - und sterben. Flucht bedeutet Verlust und weggerissen zu werden von allem und jedem, den man kennt und liebt. Zu wissen, dass das bisherige Leben in einem Augenblick für immer vorbei ist. Flucht bedeutet, alles zu verlieren, was man besitzt, und nur das mitzunehmen, was man gerade noch greifen kann. Alles, wofür man gearbeitet hat, ist verloren. Die Spielsachen der Kinder, Erinnerungen, die Lebensmittelvorräte für einen Monat, Betten und Kleidung - all das verbrennt hinter dem Fliehenden zu Asche, verursacht von einer Granate, die durch das Fenster des Hauses geworfen wurde. Flucht bedeutet, die Toten zurückzulassen und geliebte Menschen zu verlieren. Zu wissen, dass sie für immer fort sind und dass man ihre Stimmen und ihr Lachen nie wieder hören wird.
Wieder und wieder aufstehen
Maria und ihre Nachbarinnen liefen durch Bomben, Brände, Explosionen, Schüsse, Schreie und Tod. Dennoch gingen sie weiter, in eine Richtung, in der die Geräusche der Explosionen immer leiser wurden. Sie hatten kein Ziel vor Augen, sie gingen nur, weil die anderen auch gingen. Und sie tun es noch immer ...
Sie folgen der Dynamik der Gruppe. Am Ende jeden Tages brechen sie gemeinsam auf dem Boden zusammen, nur um am nächsten Morgen wieder aufzustehen. Doch das Aufstehen wird langsamer, jeden Tag ruhen sie sich ein paar Minuten länger aus. Sie wollen sich nicht dem Albtraum ihres neuen Lebens stellen. Sie denken, dass heute der Tag ist, an dem sie nicht mehr die Kraft haben werden, weiterzumachen. Die Angst, wieder und wieder angegriffen zu werden, hält sie am Boden. Die Sicherheit, die sie nach Überschreiten der Grenze ins Nachbarland Tschad erreicht haben, kommt nur langsam in den Köpfen an.

„Nachts hören wir nur noch das Weinen der Kinder, die noch weinen können. Die Geräusche des Krieges sind verschwunden. Wir sind noch am Leben, aber wir haben keine Kraft mehr“, endet Maria und wendet sich an die Gruppe von Frauen und Kindern, die hinter ihr zusammengekauert sind. Sie macht sich wieder auf den Weg, um nach Wasser zu graben, auch wenn sie keine Kraft mehr in den Fingern hat. Aber sie geht weiter und steht aufrecht, denn Fliehen bedeutet auch Durchhaltevermögen und Überlebenswillen. Maria stellt es Tag für Tag unter Beweis.
CARE unterstützt Geflüchtete im Tschad und die sie aufnehmenden Gemeinden mit humanitärer Hilfe. Bitte leisten auch Sie einen Beitrag!

Die Arbeit von CARE im Tschad
Das von CARE mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union durchgeführte Projekt im Distrikt Guéréda im Osten des Tschad konzentriert sich auf die Verbesserung der Gesundheits- und Ernährungssituation von gefährdeten Gruppen, insbesondere von Kindern unter fünf Jahren und schwangeren oder stillenden Frauen. Das Projekt gewährleistet den kostenlosen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen medizinischen Grundversorgung, einschließlich Screening und Behandlung von akuter Unterernährung, durch die Stärkung der Gesundheitssysteme. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören der Aufbau von Kapazitäten für das Gesundheitspersonal, die Ausstattung von Gesundheitszentren mit wichtigen Hilfsgütern, die Unterstützung von Überweisungssystemen und die Integration von WASH-Praktiken (Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene) in Gesundheits- und Ernährungsprogramme.