Seit September 2017 ist Professor Dr. Winfried Polte Präsident von CARE Deutschland-Luxemburg. Im Interview berichtet er über seinen Lebensweg, wie die Arbeit von CARE ihn überzeugt hat und wo der Mehrwert für Unternehmen liegt, die sich für CARE engagieren.
Lieber Herr Professor Polte, wie sind Sie zu CARE gekommen?
Den allergrößten Teil meines Berufslebens war ich in der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit tätig. Hieraus hatte sich zwangsläufig auch eine Vielzahl von Kontakten zu Nichtregierungsorganisationen oder Institutionen mit einem Bezug zu Entwicklungsländern ergeben. Daher war es für mich nicht ganz verwunderlich, dass ich Mitte letzten Jahres von einem Mitglied des Kuratoriums angesprochen wurde, ob mich die Position des Präsidenten von CARE Deutschland-Luxemburg interessieren könnte.
Warum gerade CARE? Es gibt so viele andere Hilfsorganisationen.
Ehrlich gesagt hat mich meine schnelle Zusage im Nachhinein selbst etwas überrascht. Der Hintergrund von CARE war mir zwar bekannt, aber erstaunlicher Weise hatte ich in der Vergangenheit noch nie einen direkten Bezug zur Organisation gehabt. Bei CARE sprang mir sofort positiv ins Auge, dass die Hilfsmaßnahmen auch wirklich in sehr schwierigen Ländern wie Jemen, Syrien oder Myanmar erfolgen. Gleichzeitig wird die Arbeit von CARE einer kritischen Analyse unterzogen: hinsichtlich Risiken und möglicher Eintrittswahrscheinlichkeiten, verbunden mit Empfehlungen für ausgleichende Maßnahmen. Zu meiner positiven Entscheidung haben dann aber auch die verschiedenen Transparenz-Auszeichnungen der Organisation, sowie vor allem das offensichtlich große Engagement der Mitarbeiter:innen beigetragen, die bei CARE hauptberuflich oder ehrenamtlich arbeiten bzw. sich engagieren.
Woher kommen Sie? Was ist Ihr beruflicher Hintergrund?
Nach einer Banklehre habe ich an der Universität Köln Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert. Diese Kombination von betriebswirtschaftlichem, volkswirtschaftlichem und sozialpolitischem Wissen hatte mir eine breite Option für meinen späteren beruflichen Weg eröffnet. Nebenbei sammelte ich auf der Straße Geld für eine Gruppe afrikanischer Studierender, damit für hungernde Kinder, während des schrecklichen Nigeria/Biafra-Bürgerkrieges, Lebensmittel beschafft werden konnten. Als dann in der Wochenzeitung Die Zeit aufgrund vielfältiger Koordinierungs- und Kooperationsprobleme bei den Hilfsmaßnahmen die Frage nach einer Verbesserung der Organisation der internationalen Katastrophenhilfe aufgeworfen wurde, hatte ich ein mich persönlich interessierendes Thema für eine Dissertation gefunden.
Die Kenntnisse aus meiner Forschungstätigkeit konnte ich dann später im Rahmen der Finanziellen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Frankfurt am Main einbringen. Heute wiederum verbinden sich bei CARE meine Erfahrungen mit den Themen der Not- bzw. Katastrophenhilfe und der langfristigen Projektfinanzierung von Vorhaben unterschiedlichster Größenordnung in sinnvoller Weise.
Warum sollten sich Ihrer Meinung nach Unternehmen für CARE engagieren? Wo liegt der Mehrwert für die Unternehmen? Und wo für CARE?
Die Bundesregierung und die breite Öffentlichkeit erwarten in unserer Zeit von privaten Unternehmen ein verstärktes gesellschaftspolitisches Engagement, das über den Begriff der Corporate Social Responsibility (CSR) definiert wird. Aus dieser unternehmerischen Verantwortung heraus haben bereits viele Unternehmen eine eigene umfangreiche CSR-Strategie entwickelt. Die Strategie setzt beim Kerngeschäft des Unternehmens an, z.B. bei der nachhaltigen Produktherstellung unter Berücksichtigung festgelegter Kriterien wie sicheren Arbeitsbedingungen, fairen Löhnen und Anpassung an Umweltfaktoren. Unternehmen sind aber auch gefordert, sich vor der Gesellschaft und dem Markt, in dem sie agieren, zu verantworten. In diesem Rahmen können Unternehmen sich auch als globale Akteure engagieren und im Falle von Naturkatastrophen, Bürgerkriegen oder in allgemeinen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit finanzielle Unterstützung leisten.
In diesen Fällen kommt CARE eine Mittlerrolle zu den betroffenen Menschen zu, da das eigene Leitbild eine „unabhängige, unparteiliche und bedürfnisorientierte Hilfe“ vorsieht. Durch die partnerschaftliche Herangehensweise von CARE wird die oft einseitige Dominanz des Gebers gegenüber dem Empfänger durchbrochen. Hinzu kommt, dass CARE in den letzten Jahren bei der Vergabe des Transparenzpreises wiederholt ausgezeichnet wurde. Daher können die Spender:innen davon ausgehen, dass ihre Mittel auch sinnvoll verwendet werden.
Aufgrund der großen Erfahrung in der Umsetzung von internationalen Projekten in 94 Ländern (2017) kann CARE Unternehmen natürlich auch manchen hilfreichen Hinweis hinsichtlich konkreter Herausforderungen bei der Implementierung von Vorhaben unter erschwerten Bedingungen geben. Investoren werden sich sicherlich primär bei den deutschen Botschaften oder den Handelskammern vor Ort informieren. CARE kann in diesem Prozess eine ergänzende Funktion als Projektpartner vor Ort ausfüllen. Dies gilt insbesondere für den afrikanischen Kontinent, für den die Bundesregierung die Förderung einer Offensive privater Investitionen im Rahmen des sogenannten Marshall-Planes vorsieht.
Zahlreiche Unternehmen wollen es aber nicht allein bei der finanziellen Unterstützung belassen. So entsenden sie Mitarbeiter:innen als Freiwillige, um die Projekte in der konkreten Realität vor Ort kennenzulernen oder für eine bestimmte Zeit in einem Vorhaben mitzuarbeiten. Hieraus ergeben sich für die Mitarbeiter:innen wertvolle Erfahrungen. Gleichzeitig muss natürlich darauf geachtet werden, dass der Nutzen nicht nur auf Seiten der Volunteers liegt, sondern dass die Tätigkeiten anhand von Qualifikationen so ausgewählt werden, dass allen Beteiligten ein Mehrwert geboten wird – besonders den Menschen vor Ort in den CARE-Projekten.
Herr Professor Polte, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!
Der Kölner Prof. Dr. Winfried Polte ist Präsident von CARE Deutschland-Luxemburg, Dozent für Internationale Beziehungen sowie Globale Ökonomie am IZNE und hat ehrenamtliche Ämter unter anderem bei der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem Rautenstrauch-Joest-Museum sowie "Auf Achse Treberhilfe" in Köln inne.