Drei junge Menschen aus Syrien, die Zuflucht im jordanischen Flüchtlingscamp Azraq fanden, erzählen von ihren Träumen. 
Bahaa aus Syrien im Portrait

Bahaa (22) aus Damaskus:

„Meine schönsten Erinnerungen aus der Zeit vor dem Krieg waren die Abende, an denen ich einfach zu Hause blieb und mir Filme ansah. Ich liebte Dokumentationen, besonders die von National Geographic. 

In meinem Zuhause in Syrien war ich unabhängig und frei. 

Dort konnte ich meine eigenen Entscheidungen treffen. Aber hier in Azraq habe ich diese Freiheit nicht mehr."

„Vor dem Krieg fliehen zu müssen, nur um sich in einem Flüchtlingscamp wiederzufinden, ungewiss, wie lange man bleiben wird, das verändert deine Träume.

Auch in Syrien waren meine Hoffnungen und Träume mitunter begrenzt. Als ich jung war, sehnte ich mich nach einem besseren Leben. Ich wuchs in einer ländlichen Gegend im Süden von Damaskus auf. Dort gab es nur wenige Häuser und noch weniger Geschäfte. Die anderen Jugendlichen gerieten ständig in Schwierigkeiten. Ich wollte nicht wie sie sein, sondern träumte davon, ein besserer Mensch zu werden und aus dieser Situation auszubrechen.

Die größte Herausforderung, der ich gegenüberstand, war der plötzliche Abbruch der Schule. Ich liebe das Lernen. Es ist Teil meiner Persönlichkeit. Aber wegen des Krieges konnte ich die Schule nicht beenden. In Jordanien musste ich arbeiten, um zu überleben. Außerdem gab es zu diesem Zeitpunkt keine zwölfte Klasse im Flüchtlingscamp. Jetzt bieten das jordanische Bildungsministerium und der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen für syrische Geflüchtete im Camp das Abitur an. Ich werde mich sicher dafür bewerben.

Meine Zukunft ist ungewiss, aber ich bin auf alles vorbereitet. Ich bleibe positiv. Ich bin ein kritischer Denker. Ich denke genau darüber nach, was ich tun darf, und über Dinge, die falsch sind und geändert werden müssen. Ich glaube, eine der wichtigsten Herausforderungen, denen wir als Gesellschaft gegenüberstehen, ist unsere Heuchelei – wir verurteilen viele Dinge, obwohl wir sie selbst tun oder daran teilnehmen.

Filme für ein soziales Bewusstsein

In der Vergangenheit habe ich im Azraq-Camp Filmworkshops für Kinder angeboten. Durch CARE konnte ich dieses Mal selbst an einem Workshop teilnehmen. Jeder Teil dieses Filmtrainings, vom Drehbuchschreiben und der Produktion bis zu den jungen Schauspieler:innen, war energiegeladen und inspirierend. In den Workshops, die ich leite, sind die Teilnehmer:innen immer Kinder ohne viel Erfahrung. Ganz anders war der Workshop von CARE, bei dem ich mich mit erfahrenen Filmemacher:innen und Profis aus Hollywood austauschen konnte.

Ich erwarte nicht, dass meine Filme Politiker:innen stoppen, beeinflussen oder dazu führen, dass sie sich mehr um uns kümmern. Wir müssen als Folge ihrer Handlungen nun im Flüchtlingscamp leben. Aber auch wenn ich die Politiker:innen nicht direkt beeinflussen kann, um eine politische Lösung für Syrien herbeizuführen – denn das ist es, was wir jetzt brauchen – so kann mich dennoch darauf konzentrieren, die Menschen, die mit mir in Azraq leben, positiv zu beeinflussen. Mit meinen Filmen möchte ich das soziale Bewusstsein für Themen wie Kinderehen, Kinderarbeit und Gewalt in unserer Gemeinschaft stärken.

Vor einiger Zeit habe ich einen Kurzfilm namens „Bad Heritage“ über Familien gedreht, die Mädchen zwingen, die Schule abzubrechen und früh zu heiraten. Das ist etwas, was unsere Tradition uns lehrt, und aus einer Zeit stammt, in der die Welt verschlossener war. Es gab keine andere Zukunft für Mädchen als zu heiraten. Aber heute hat sich doch alles verändert. Wir sind besser ausgebildet und wir haben das Internet. Daher müssen wir uns auch ändern.“

Anregungen zum Perspektivwechsel

Syrierin Bushra im Portrait

Bushra (16) aus Damaskus:

„Ich bin in der elften Klasse. Früher wollte ich immer Ingenieurin werden, aber seit dem Krieg und der Flucht nach Jordanien sind die Dinge anders. Ich habe mich verändert."

Die Umstände haben uns verändert.

Wegen des Krieges wurden in Syrien die Schulen geschlossen. Ich konnte zwei Jahre lang keinen Unterricht besuchen. Aber auch nach der Flucht gab es keine Gelegenheit zum Lernen. Ständig mussten wir umziehen, an vielen Orten gab es keine Schule. Doch hier im Azraq-Camp kann ich wieder zur Schule gehen und möchte Journalistin werden. Ich arbeite für die Campzeitschrift Campbeat.

Die Journalist:innen, die ich in Syrien kennen gelernt habe, sind für mich Vorbilder. Wir redeten mit ihnen und sie teilten unsere Stimme mit der Welt. Sie halfen uns, gehört zu werden. Ich möchte das Gleiche für andere tun.

Aus demselben Grund sollten die Leute unseren Film sehen: Er wird ihnen helfen, die Situation des syrischen Volkes besser zu verstehen. Fremden Menschen fällt es schwer, unsere Situation nachzufühlen. Sie haben das, was wir durchmachen mussten, nicht erlebt. Aber trotzdem sollten sie sich überlegen, wie sie uns und anderen Menschen helfen können. Irgendwann brauchen sie vielleicht selbst einmal Hilfe.

Wir mögen im Augenblick Flüchtlinge sein, aber wir können die Hindernisse überwinden, vor denen wir stehen. Wir können Hoffnung haben und uns von unseren Zielen leiten lassen.“

Ein Traum nach dem anderen

Der syrische Geflüchtete Wael in seinem Taekwondo-Anzug

Wael (16) aus Homs:

„Mit zwölf bin ich dem Krieg entkommen. Danach habe ich die Schule in Jordanien besucht, aber nur für ein Jahr. Ich mochte die Schule in Syrien sehr, ich war ein guter Schüler und hatte viele Freunde dort. Aber alles änderte sich, als wir nach Jordanien kamen. Dort mochte ich die Schule nicht. Auch mit den Lehrer:innen habe ich mich nicht gut verstanden. Alles war anders."

„Hier im Camp besuche ich hauptsächlich Aktivitäten im Gemeinschaftszentrum von CARE. Ich liebe es, Taekwondo zu praktizieren. Ich bin schon seit eineinhalb Jahren dabei. Irgendwann hoffe ich, Meister zu werden. Ich warte darauf, dass mein Camp die Genehmigung erhält, die Prüfung für meinen schwarzen Gürtel abnehmen zu dürfen. Dann kann ich wie Bruce Lee sein! Seine Filme mochte ich in Syrien immer sehr.

Wir haben Jungen und Mädchen beim Taekwondo. Ich finde es gut, die Mädchen im Camp miteinzubeziehen. Manche Leute mögen anderer Meinung sein, aber ich halte es für sehr wichtig, dass Mädchen Taekwondo lernen. Es wird ihnen helfen, sich selbst zu helfen. Sie können sich verteidigen und sind selbstbewusster.

Meine Botschaft an alle Jugendlichen auf der Welt lautet so: Seid stark, bewegt euch! Helft eurem Körper. Im Sport müssen wir nicht nur die Kraft unseres Körpers, sondern auch die unseres Geistes nutzen. Probiert es doch vielleicht auch einmal mit Taekwondo!

Ich habe noch einen weiteren Traum. Ich würde gerne Cello spielen. Ich habe es einmal in einer Aufnahme gehört, und es war so schön. Ich wünschte, sie würden Cellounterricht im Lager anbieten. Aber ein Traum nach dem anderen…“

Erfahren Sie, wie CARE junge Menschen wie Bahaa, Bushra und Wael im Flüchtlingscamp Azraq unterstützt.

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