Die jüngste Eskalation der Gewalt im Nordwesten Syriens hält nun schon 4 Monate an. Hunderte wurden bei den Angriffen getötet, 630 000 Menschen sind seit Mai vor dem Krieg geflohen. Da sie nirgendwo anders hinkönnen, suchen die meisten vertriebenen Familien in Camps nahe der türkischen Grenze Schutz und leben dort in provisorischen Zelten auf Ackerland. Diese dicht besiedelten Gebiete sind heute der einzige Ort, an dem die Menschen der Gewalt in Idlib entkommen können. Was bedeutet das für eine Frau und Mutter? Wie ist es an solchen Orten zu leben? Das fragen wir die Betroffenen selbst.

„Wir fühlen uns nie sicher”

Salma*, dreifache Mutter in Idlib
Vertriebene Mutter Salma aus Syrien.

Salma lebte früher mit ihrem Mann und drei Töchtern auf dem Land südlich von Aleppo. Jetzt wurde sie in den Norden Idlibs vertrieben und lebt mit ihren Kindern alleine in einem provisorischen Zelt. Sie ist nun Alleinversorgerin ihrer Familie, da ihr Mann seit Kriegsbeginn in Syrien vermisst wird.

„Seit der Krieg begonnen hat, verfolgt er uns, wohin wir auch gehen. Vor fast neun Jahren mussten wir unser Zuhause in der Nähe von Aleppo verlassen. Seitdem sind wir in mehrere Städte und Dörfer gezogen. Wir waren in Saraqib, Azaz, Kafr Nouran und jetzt hier in diesem Lager im Norden Idlibs. Doch die Gewalt holte uns immer wieder ein.

Das Schwierigste am Leben in einem Lager ist, dass man nie tun kann, was man will. Die Zelte sind sehr nah beieinander und es gibt keine Privatsphäre. Das ist sehr schwer, besonders für Frauen. Ich verbringe meine Tage damit, das Zelt zu putzen, zu kochen und mich um meine Mädchen zu kümmern. Der Winter ist die schwierigste Zeit, wegen des Regens und der Kälte. Alles ist voller Schlamm und wir haben nichts, um unser Zelt nachts zu heizen. Meine Mädchen und ich müssen Brennholz sammeln und hoffen, dass es uns in den harten Winternächten warm hält."

„Wir können nie wieder nach Hause zurück”

Amira*, zweifache Mutter, vertrieben im Nordwesten Syriens
Vertriebene Mutter Amira aus Syrien.

Amira kommt aus einem kleinen Dorf im südlichen Idlib. Sie hat zwei Kinder, ein sechsjähriges Mädchen und einen 13-jährigen Jungen. Heute lebt sie mit ihren Kindern und ihrem Mann in einem Lager nahe der türkischen Grenze. Aufgrund der zahlreichen Vertreibungen, die die Familie seit Kriegsbeginn im Jahr 2011 erlebt hat, musste Amiras 13-jähriger Sohn die Schule abbrechen. Amira ist am Boden zerstört, als sie über seine Zukunft spricht.

„Ich will, dass meine Kinder zur Schule gehen, aber dafür gibt es im Moment keine Hoffnung. Die Schulen, die noch offen sind, sind sehr weit entfernt vom Camp. Es macht mich so traurig – ich sehe, wie ihre Zukunft vor meinen Augen verloren geht und kann nichts dagegen tun.

Um zu überleben, sind wir auf humanitäre Hilfe und Verwandte angewiesen und müssen oft Geld leihen. Für das Leben im Lager fehlen uns viele wichtige Dinge. Wir haben kein Gemüse und kein Fleisch. Wenn diese Lebensmittel verfügbar sind, haben wir in der Regel nicht genug Geld, um sie zu kaufen. Gott sei Dank sind wir noch am Leben, weil wir Weizen und Reis haben."

„Ich vermisse es, mich sicher und geborgen zu fühlen”

Nafisa*, Mutter und Großmutter, ursprünglich aus einem Dorf im südlichen Idlib
Vertriebene Mutter Nafisa aus Syrien.

„Als ich jung war, arbeitete ich in der Landwirtschaft, später übernahmen meine Mädchen die Arbeit auf dem Land. Wir lebten friedlich in unserem Dorf und hatten alles, um glücklich zu sein. Aber irgendwann kamen die Granaten, kamen die Gewalt und der Hunger. Wie so viele andere Familien mussten wir unsere Heimat verlassen. Gemeinsam mit meinen Töchtern floh ich aus dem Dorf, in welchem ich die schönsten Momente meines Lebens verbrachte, auf der Suche nach einem sicheren Unterschlupf. Sich ständig von einem Ort zum anderen zu bewegen ist sehr schwer für mich. Ich bin alt und wir wurden mehr als viermal vertrieben, bevor wir uns hier niederließen.

Jeder Tag vergeht für mich sehr langsam. Es gibt nichts zu tun, nur Kochen und Putzen. Das Leben im Lager ist anstrengend. Ich wünschte, ich könnte in mein Dorf und mein Zuhause zurückkehren. Ich vermisse es, mich sicher und geborgen zu fühlen. Wir leben in einem Zustand ständiger Angst und Vorsicht. Wir beten jeden Tag zu Gott, dass er uns beschützt.

Dank großzügiger Hilfe verfügen wir über sauberes Wasser und Hygieneartikel wie Seife und Zahnpasta. Aber der Bedarf ist immer noch groß. Wir hoffen, dass uns auch weiterhin geholfen wird."

Krieg in Syrien: Frauen und Kinder sind besonders betroffen

Nach fast neun Jahren Krieg sind 11,7 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen. Wie Salma, Amira und Yara kämpfen Millionen ums Überleben und fürchten um das Wohlergehen ihrer Kinder. Seit 2011 floh die Hälfte der syrischen Bevölkerung, wurde innerhalb und außerhalb des Landes vertrieben. Frauen und Kinder sind von der Krise am stärksten betroffen, da sie zu denjenigen gehören, die in Konfliktzeiten am meisten leiden. Syrien gehört derzeit zu den gefährlichsten Orten der Welt. Da sich die humanitäre Lage in Nordwesten Syriens weiter verschlechtert, werden CARE und die Partnerorganisationen in Syrien die humanitäre Hilfe weiter verstärken. Wir behalten die Situation im Blick und sorgen für koordinierte und rechtzeitige Unterstützung.

*Alle Namen wurden geändert, um die Privatsphäre der Personen zu schützen.

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