Drei Frauen sitzen in einem Zimmer zusammen.

Am World Humanitarian Day wollen wir an jene denken, welche tagtäglich ihr Leben riskieren, um anderen zu helfen. Denn vor Bombardements und in Belagerungssitationen sind auch die humanitären Helfer:innen nicht sicher. Hier sind ihre Berichte.

Hinweis: Die Namen der einzelnen Frauen und Männer wurden geändert, um ihre Identitäten zu schützen.

Wael, Projektkoordinator in Syrien

Humanitäre Arbeit ist extrem schwierig. Besonders dann, wenn Menschen wegen eines Krieges behindert oder schwer verletzt sind. Die Menschen, mit denen wir dann arbeiten, brauchen sehr viel psychologische Unterstützung, um mit ihrer Trauer und dem Leben  unter Belagerung, wie etwa in Aleppo, zurecht zu kommen. Glücklicherweise erlebe ich immer wieder Erfolge, wir können einer großen Menge an Menschen helfen. Es motiviert mich, diese Anzahl jeden Tag zu vergrößern. Solange sie steigt, weiß ich, dass meine Arbeit wichtiger ist denn je.

Ich möchte humanitäre Hilfe verbreiten: Menschen ein gutes Leben ermöglichen, Zivilist:innen vor den Auswirkungen des Krieges schützen; das motiviert mich, bringt mich dazu, immer weiterzumachen. Jedes Projekt, das wir ins Leben rufen, macht mich auch persönlich stärker.

Ich arbeite jeden Tag in Gebieten, in denen Menschen in größter Not leben. Wir bekommen hier schlimme Schicksale von Familien und ganzen Gemeinden mit. Wir brauchen den gemeinsamen Willen der mächtigen Länder, um diese Probleme zu lösen – nicht nur den Einsatz von humanitären Organisationen. In Krisen wie dem Krieg hier in Syrien hat man immer das Gefühl, dass man nicht genug tut. Wir brauchen sofort Hilfe. Die internationale Gemeinschaft muss handeln.

Ein Junge schiebt eine Schubkarre.

Khadija, Mutter und humanitäre Helferin für eine Partnerorganisation von CARE in Südsyrien –
„Betroffene helfen Betroffenen.“

Ich habe fast 30 Jahre lang in einem Ministerium gearbeitet. Heute habe ich einen völlig anderen Beruf: Ich bin humanitäre Helferin. Täglich kümmere ich mich um Aufgaben wie Chlortabletten verteilen oder Hygieneschulungen geben. Das wenige Wasser, das wir in Syrien haben, ist meist stark verschmutzt. Die Wasserversorgung ist komplett zusammengebrochen. Kaum jemand hat noch Zugang zu sauberem Wasser. Mit meinen Kolleg:innen gehe ich von Haus zu Haus und organisiere Veranstaltungen, auf denen wir Frauen über Hygiene unterrichten. Ich kläre sie über die Wasserverschmutzung auf, zeige ihnen, wie man Essen lagern kann, wenn man keinen Kühlschrank mehr hat, und bringe ihnen andere wichtige Dinge bei.

Die Situation in Syrien ist sehr instabil. Viele Menschen mussten wegen dieses nicht enden wollenden Konfliktes schon mehrfach fliehen. Auch meine Familie musste ihre Heimat verlassen – jetzt leben wir gemeinsam mit einer anderen Familie in einem alten Wasserkraftwerk. Hier zu leben ist für alle hart, doch wir Frauen leiden besonders. Wir sind die Ehefrauen, die Mütter, die Hausfrauen und für so viel in der Familie verantwortlich.

Humanitäre Helfer:innen haben viele Schwierigkeiten, doch meine größte Schwierigkeit ist, eine Frau zu sein. Diese Region ist sehr konservativ und die meisten Frauen arbeiten nicht. Doch es ist so wichtig, dass wir das ändern, denn viele syrische Haushalte werden von Frauen geführt. Ihre Männer sind ums Leben gekommen oder von der Polizei verhaftet worden. Wir brauchen humanitäre Helferinnen, um diese Haushalte mit einzubeziehen. Haushalte, die sonst keinen Zugang zu unserer Hilfe und unseren Veranstaltungen haben. Mit einer Frau im Team gelingt es uns einfacher, auch andere Frauen zu erreichen.

Deshalb habe ich mit dieser Arbeit angefangen. Ich habe gesehen, dass die Frauen meine Unterstützung brauchen. Ich wollte ihnen in dieser schwierigen Zeit helfen, obwohl das auch immer mit Gefahren verbunden ist. Manchmal fühle ich mich unwohl; habe Angst, dass etwas passiert. Ich könnte von einer Rakete oder einer Granate getroffen werden. Vielleicht bin ich die nächste, die sterben muss. Als wir heute durch eine Stadt gefahren sind, habe ich einen Anschlag miterlebt. Jemand wurde direkt vor uns auf der Straße getötet. Wir Helfer sind selbst betroffen und helfen gleichzeitig den Betroffenen.

Es wird hier immer schwieriger und gefährlicher für uns, aber ich habe mich entschieden, so lange in Syrien zu bleiben wie mein Sohn im Gefängnis ist. Er war 19, als die Polizei ihn vor fünf Jahren verhaftete – ich kann nur hoffen, dass ich ihn irgendwann wiedersehen werde. Während meiner Arbeit höre ich häufig Geschichten von Müttern, die ihre Kinder im Krieg verloren haben. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als meinen Sohn zu verlieren.

Ich träume davon, dass Syrien eines Tages wieder zu dem Land wird, das es mal war. Ich träume von einem friedlichen, normalen Leben. Ich wünsche mir aus tiefstem Herzen, dass alle syrischen Mütter ihre Kinder wiedersehen werden.

Männer stehen an einem LKW mit Hilfsgütern an.

Mohammad, Projektkoordinator in Syrien

Dieser kurze Augenblick, wenn ein Lächeln über ein Kindergesicht huscht – das ist meine Motivation. Es macht mich glücklich; zumindest für einen Moment. Meine Familie und Freunde unterstützen meine Arbeit und sind stolz auf mich. Das gibt mir Antrieb und bringt mich weiter. Ich arbeite seit vier Jahren in diesem Beruf. Das ist so lange, wie es die Krise schon gibt. Ich hoffe, dass ich immer die Energie haben werde, weiterzumachen.

Ich lerne jeden Tag etwas Neues. Ich mache neue Erfahrungen, bringe damit mich und alle um mich herum weiter. Viele Freunde von mir sind auch humanitäre Helfer. Wenn wir uns zusammensetzen reden wir oft über unsere Arbeit, teilen Geschichten und Erfahrungen. Wir profitieren alle davon.

Die größte Schwierigkeit für uns ist, dass der Bedarf an Hilfe immer weiter ansteigt. Ganz egal, wie viel wir verteilen: Es reicht nicht. Ich möchte unbedingt alle vom Krieg betroffenen Gegenden erreichen, doch das ist leider unmöglich. Wir haben schon viele wirklich schwierige Zeiten durchgemacht. Ich wurde sogar schon entführt und bedroht. Es war eine schreckliche Erfahrung, doch deswegen werde ich meine Arbeit auf keinen Fall aufgeben. Das syrische Volk leidet und wir alle müssen tun was wir können, um das zu ändern.

Ich bewundere die Menschen, die wir treffen. Einmal waren wir im ländlichen Idleb. Es war ein ruhiger Tag mit tollem Wetter. Drei Kinder kamen zu uns und fragten, ob wir mit ihnen Fußball spielen wollten. Sie forderten uns richtig heraus: „Wir können besser spielen als ihr! Probiert doch, uns zu besiegen!“ Wir bildeten zwei Teams, die Kinder gegen uns. Wir begannen zu spielen, doch unser Team hatte keine Chance auf dem unebenen Boden. Die Kinder lachten, weil wir uns so ungeschickt anstellten. „Na also, wir können Fußball spielen und ihr nicht!“ Es war irgendwie sehr berührend: Wir wissen, mit was diese Kinder jeden einzelnen Tag des Konflikts zu kämpfen haben. Doch sie schaffen es noch immer, aus jedem Tag irgendwie das Beste heraus zu holen.

Fatima, Rezeptionistin im Gemeinschaftszentrum Idleb

Als der Krieg begann, verlor ich auch meine Arbeit. Ich bekam schwere psychologische Probleme. Zum Glück ging es mir direkt besser, als ich endlich wieder eine Arbeit im CARE-Gemeinschaftszentrum in Idleb bekam. Dabei zu helfen, Menschen ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern, ist ein motivierender Teil meiner Arbeit. Da immer mehr auf Hilfe angewiesen sind, fühle ich mich dazu verpflichtet, weiterzuarbeiten. Wir dürfen weder Zeit, noch Helfer:innen verlieren. Denn die Helfer:innen geben den Menschen dann etwas, wenn sie selbst nichts mehr haben.

Diese produktive und erfolgreiche Arbeit motiviert mich. Humanitäre Arbeit ist nicht einfach, doch den Menschen im Krieg zu helfen lässt mich meine eigenen Sorgen vergessen. Ich habe selber viel durchgemacht und oft Hilfe gebraucht. Jetzt bin ich diejenige, die den Menschen hilft. Ich hoffe, dass sie nicht das Gleiche wie ich durchmachen müssen. Und so gehe ich jeden Tag zur Arbeit, mit und für diese Menschen.

Trotzdem mache ich mir oft Sorgen. Sorgen, dass ich nicht weiterarbeiten kann, wenn der Krieg noch schlimmer wird; wenn wir davon abgehalten werden, unsere Hilfe zu leisten. In dieser unsicheren Zeit muss ich mir jeden Tag darüber nachdenken. Und es macht mich traurig. Doch wir können hier keine negative Stimmung gebrauchen. Manche Menschen verlieren die Hoffnung und werden pessimistisch, denken, dass sich niemals etwas ändern wird. Wir können es uns nicht leisten, so zu denken. Wir müssen daran arbeiten, diesen Menschen wieder eine Perspektive zu geben.

Abu Omar, vormals Lehrer, jetzt humanitärer Helfer im Regierungsbezirg Quneitra

Vor dem Krieg war ich Lehrer. Ich unterrichtete Geographie, das habe ich an der Universität von Damaskus studiert. Niemals hätte ich gedacht, dass ich einmal in der humanitären Hilfe arbeiten würde. Niemals hätte ich gedacht, dass mein Land sich einmal in einer solch furchtbaren Lage befinden könnte.
Die alltäglichen Schwierigkeiten bei unserer Arbeit sind vielfältig, besonders aber durch die Sicherheitslage bedingt. Das liegt auf der Hand: Um uns herum herrscht Krieg. Wir müssen jeden Tag darauf vorbereitet sein, neue Wege zu finden, um die versprengten Gruppen von Menschen zu erreichen, weil Gewaltausbrüche uns immer wieder die Straßen versperren. An einem Tag ist eine Stadt Luftangriffen ausgesetzt, an einem anderen Tag greift plötzlich eine Gruppe Bewaffneter an. Dabei geben wir Acht auf unsere Sicherheit – wir müssen es, wenn wir unsere Arbeit fortsetzen wollen.

Die Bedürftigkeit hier ist außerordentlich groß, die Leute sind auf andauernde Unterstützung angewiesen. Ihnen zu helfen, ist eine lohnende Aufgabe. Gerade die Schwächsten– oft sind es Kinder und Frauen – leiden besonders. Sie können nicht selbst ihre Stimmen erheben, also hört die Welt sie nicht. Deshalb bin ich jeden Tag neu motiviert, für sie zu sprechen und zu handeln. Wenn man auf einmal Menschen hilft, die nichts haben, die von niemandem sonst unterstützt werden, dann weiß man, man tut das Richtige.

Ich hoffe sehr, eines Tages nach Hause zurückkehren zu können. Ich möchte wieder zur Schule gehen und unterrichten. Ich möchte meinen jungen Töchtern eine anständige Ausbildung in ihrer Heimatstadt ermöglichen. Ich träume von einem wieder aufgebauten Land mit verbesserten Lebensbedingungen, in dem die Menschen in Frieden und in Freiheit leben. Täglich hören wir, wie die Namen der Toten in der Moschee verlesen werden. Eines Tages, so hoffe ich, hören wir dort nur noch die Gebete.

Der Besuch einer gemeinschaftlich genutzten Baracke gehörte zu unseren prägendsten Erlebnissen: Mehr als 80 Familien lebten dort in erbärmlichen Zuständen und litten große Not. In der Bauruine gab es weder Wasser noch Strom, keine abgetrennten Bereiche, keine Privatsphäre, gar nichts. Viele der Frauen verkauften Sand und Steine, die sie auf der Straße aufgelesen hatten, um ihre Familien zu unterstützen. Sie waren ganz in Staub gehüllt. Sie hatten nichts. So wie sie leben Menschen im ganzen Land. Das ist nicht tragbar.

Meine Nachricht an die Staatenlenker dieser Welt lautet: bitte, im Namen aller Syrer:innen, bitte stoppt dieses Blutbad. Beendet den Krieg. Stoppt die Flut der flüchtenden Familien im ganzen Land.

Erfahren Sie mehr über die Arbeit unserer Helfer:innen in Syrien.

CARE-Hilfe in Syrien

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