Hamida und ihre Familie flohen aus Chinggripara im Norden Myanmars nach Bangladesch. Mit ihren 15 Jahren ist sie die älteste von sieben Geschwistern. Wir trafen sie, als sie ihre einjährige Schwester Bushra zu einer Krankenstation von CARE im Unchiprang Flüchtlingscamp brachte.

Im Flüchtlingscamp in Bangladesch trägt Hamida ihre mangelernährte Schwester Bushra auf dem Arm.

Während Bushra gegen Durchfall und Mangelernährung behandelt wurde, erzählte uns Hamida von den Angriffen auf ihr Dorf, bei denen das Haus ihrer Familie niedergebrannt wurde.

Meine Mutter war gelähmt, ihre Beine gehorchten ihr nicht. Sie wurde bei lebendigem Leibe verbrannt.

Normalerweise bewegte sie sich mit ihren Armen fort oder wir trugen sie, doch alleine schaffte ich das nicht. Sie war zu schwer. Dann stürzte ein Träger unseres Hauses ein und die Flammen sprangen auf meine Mutter über. Ich musste rennen, um mich selbst zu retten.

Alleine lief ich zum See, wo sich das halbe Dorf versammelt hatte. Wir warteten. Immer wieder hörten wir Schüsse und sahen Rauch über dem Dorf aufsteigen. Schließlich fand mich mein Vater und wir machten uns auf den Weg nach Bangladesch.

Hamidas neue Verantwortung

Ich habe fünf Schwestern und einen Bruder. Vor zehn oder zwölf Tagen kamen wir nach Bangladesch.

Wir mussten eine Woche lang über die Berge wandern, durch knietiefen Schlamm waten und durften auch bei starkem Regen keine Pause machen. Es war sehr anstrengend.

Wir haben eine Lebensmittelkarte, mit der wir von den Hilfsorganisationen Reis, Öl und Hülsenfrüchte bekommen. Aber das Baby hat einen schlimmen Durchfall. Sie ist viel zu dünn und braucht sofort Aufbaunahrung. Ich habe Angst, dass sie sonst stirbt.

Als älteste Tochter trage ich seit dem Tod meiner Mutter eine große Verantwortung. Ich koche Essen für meine Familie und kümmere mich um meine kleinen Geschwister.

Hamida füttert ihre kleine Schwester Bushra mit Aufbaunahrung, die sie von CARE bekommen haben.

„Plötzlich herrschte Krieg“

Auch Hamidas Vater, Shumsu Alom, bewies eine bewundernswerte Stärke, als er seine Kinder in Bangladesch in Sicherheit brachte. Die Geschichte verlief aus seiner Sicht so:

„Meine Frau hatte vor vier oder fünf Jahren einen Unfall. Sie war schwer gestürzt und blieb anschließend gelähmt. Vor ein paar Monaten erkrankte sie dann noch an Typhus. Es ging ihr wirklich schlecht.

Bewaffnete Männer hatten drei Tage vor dem Angriff auf unser Dorf ein Treffen arrangiert. Sie versprachen, uns keine Gewalt anzutun, und baten uns, nicht zu fliehen. Wir blieben im Dorf. Doch sie brachen ihr Versprechen und töteten viele Dorfbewohner:innen.

Wenn wir den Männern nicht vertraut hätten, wären wir schon früher geflohen. Dann wären jetzt alle von uns in Sicherheit. Meine Frau wäre noch am Leben.

Ich erinnere mich, dass es ein heißer Tag war. Ich saß im Schatten und flocht Körbe. Plötzlich hörte ich Schüsse. Ich sprang auf und sah aus dem Fenster.

Ich sah brennende Häuser. Die Menschen liefen aufgeregt umher, schrien und weinten. Es war das reinste Chaos. Plötzlich herrschte Krieg.

Dann wurde unser Haus getroffen und brannte. Ich nahm meiner Frau das Baby aus dem Arm und half den Kindern nach draußen.

Hamida versuchte noch, meiner Frau zu helfen. Doch sie war vor Angst wie erstarrt. Flammen regneten auf sie herab. Dann stürzte das Haus ein.

Die Schreie meiner Frau werde ich nie vergessen.

Dann sah ich Hamida aus dem Haus rennen. Ich war erleichtert, dass sie es rechtzeitig geschafft hatte, und gleichzeitig entsetzt, dass meine Frau im Haus gefangen war und wir sie nicht retten konnten.

Sie war krank und schwach - sie schaffte es nicht aus eigener Kraft nach draußen. Ich hätte ihr helfen müssen. Aber in meiner blanken Panik griff ich nur nach dem Baby. Ich war nicht bei klarem Verstand.

Es fühlte sich an wie das Ende der Welt.

Hamida war verschwunden, sie lief Richtung See. Ich hoffte, dass sich jemand um sie kümmern würde.

Die anderen Kinder und ich versteckten uns im Wald. Zwei Nächte lang machte ich kein Auge zu. Dann suchte ich nach Hamida.

Als ich sie schließlich fand, machte mein Herz vor Freude einen Sprung. Ich hielt sie in meinen Armen und weinte.

 

 

Hamida steht mit ihrer kleinen Schwester Bushra auf dem Arm vor einer selbstgebauten Unterkunft im Flüchtlingscamp in Bangladesch

Flucht nach Bangladesch

Zusammen mit meiner Mutter flohen wir nach Bangladesch. Fünf Tage dauerte die Flucht. Wir aßen nichts außer Reis, den wir in verlassenen Dörfern fanden.

Bei Dämmerung suchten wir eine größere Gruppe, um uns sicherer zu fühlen. Aber schlafen konnten wir nicht, dafür war es zu laut und unbequem und wir hatten ständig Angst.

Die Kinder haben so viel Schreckliches erlebt, und die jüngeren riefen nach ihrer Mutter. Sie waren hungrig und verwirrt. Wir standen alle unter Schock.

Als wir in Bangladesch ankamen, gab ich mein restliches Geld für eine Zeltplane und Bambusstöcke aus. Damit baute ich eine Unterkunft.

Ein Mann hält das letzte Foto seiner Frau und seiner Familie in die Kamera.

An seine Frau hat Shumsu nur noch ein Andenken:

Dieses Foto von meiner Familie trage ich immer bei mir. Es ist schon sehr zerknittert. Aber es ist die einzige Erinnerung an meine Frau.

 

 

Unterstützen Sie Familien wie die von Shumsu und Hamida mit Ihrer Spende.

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