Portraitfoto von Natalia in einer Notunterkunft in Lviv.

„Wir hörten um uns jeden Tag Schüsse und Explosionen“

„Mein Sohn und ich haben uns angestellt, um Brot zu kaufen. Plötzlich waren um uns Explosionen. Wir sind gerannt und haben uns im Straßengraben versteckt.“ Natalia (41) hat es aus der umkämpften Region Luhansk im Osten nach Lviv in den Westen des Landes geschafft. Sie, ihr Sohn Tymofiy (8) und ihre Schwiegereltern sind in Sicherheit. Sie leben gemeinsam in einem Raum in einer Notunterkunft, das eine von CARE unterstützte lokale Hilfsorganisation eingerichtet hat.

Zum Jahrestag der Eskalation des Krieges in der Ukraine hat Natalia mit uns über das Erlebte gesprochen.

Natalia berichtet von einem Leben in ständiger Angst. Über Monate wird in der Region Luhansk jeden Tag gekämpft. Immer wieder sind Schüsse und Explosionen zu hören. Eine Rakete schlägt ganz in der Nähe des Hauses ihrer Schwiegereltern ein. Ihr Schwiegervater Victor (71) wird durch die Wucht der Detonation durch die Luft geschleudert. Er überlebt unverletzt, doch das Haus ist schwer beschädigt. Die Fenster sind zerbrochen, die Wände haben Risse und das Dach hängt schief.

Als die Familie fliehen muss, bleibt für die Vorbereitung nur wenig Zeit. „Ich wusste nicht, wie ich mein ganzes Leben in einen einzigen Koffer packen soll“, sagt Natalia. Ihre Schwiegermutter Nelly (71) vergisst in der Hektik des Aufbruchs sogar ihre Zahnprothese. Für Tymofiy ist es schlimm, dass er seine geliebten Katzen nicht mitnehmen kann.

Natalia und ihre Familie in einem kleinen Zimmer in ihrer Notunterkunft.
In ihrer Notunterkunft in Lviv erzählt uns Natalia ihre Geschichte.

Die von CARE unterstützte Hilfsorganisation bietet geflüchteten Familien wie der von Natalia psychosoziale Hilfe an. Die ist dringend notwendig, um den Verlust der Heimat, von Hab und Gut und in vielen Fällen auch geliebten Menschen zu verarbeiten.

Tymofiy hat sich in der Notunterkunft mit Kindern angefreundet, deren Familien auch geflüchtet sind. Er vermisst seine Heimat sehr und auch das Leben, das er früher hatte. „Mein größter Wunsch ist, mit meinen Freunden in die Schule zu gehen“, erzählt der kleine Junge. Unterricht hat Tymofiy derzeit nur online. Wenn es möglich ist, würde er gerne wieder reiten gehen. Auch danach sehnt er sich.

Für viele Menschen sind Panik und Sorgen die neue Lebensrealität. „Fehlende Rückzugsräume, die ständige Anspannung, Sorgen um sich selbst, Familie, Väter, Brüder oder Angehörige an der Front, erzeugen große Angst. Hinzu kommen Sorgen um die Kinder und der hohe Zeitdruck für wichtige Erledigungen, wenn für kurze Zeit Strom vorhanden ist. Dazu kommt die Unsicherheit, dass jeden Tag etwas Schreckliches passieren könnte. All dies übt enormen Stress aus“, sagt die Psychologin Inna Kanivets. Sie arbeitet in einem von CARE finanzierten Rückzugraum in Cherkasy in der Ukraine. Der Andrang hier ist so groß, dass Frauen fast einen Monat auf einen Termin warten müssen. „Viele Menschen, mit denen wir sprechen, haben große Familienkrisen zu bewältigen“, sagt Kanivets. CARE wird diese Hilfe für Familien wie der von Natalia weiter ermöglichen.

Seit der Eskalation des Krieges vor einem Jahr hat CARE insgesamt fast eine Million Ukrainer:innen unterstützt und baut die Hilfe weiter aus. Neben psychologischer Hilfe erhalten die Menschen in der Ukraine von CARE weiter Lebensmittel, Trinkwasser, Hygieneartikel, Medikamente und medizinische Ausrüstung.

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