Über 1 Million Menschen aus der Ukraine sind bereits in Polen angekommen. Und mit jedem weiteren Tag Krieg werden es mehr. Hier in Warschau begegne ich ihnen am Hauptbahnhof und in einem Aufnahmezentrum.
Es ist kalt in der polnischen Hauptstadt, aber die Sonne scheint. Am Hauptbahnhof in Warschau ist viel los. Im Obergeschoss sitzen Geflüchtete aus der Ukraine auf Decken, einige schlafen oder tippen auf ihren Handys, Kinder spielen ruhig vor sich hin. Unten stehen die Menschen vor den Ticketschaltern in der Schlange. Für ihre Fahrt bekommen Geflüchtete aus der Ukraine kostenlose Tickets. Viele Freiwillige helfen mit Wasser, Snacks oder Informationen. „Die Menschen wissen genau, wo sie hinwollen. Die meisten benötigen nur Informationen, wie sie etwa das richtige Gleis finden“, erklärt mir eine junge Freiwillige. Und dann geht es von hier aus auch schon los, nach Prag, Wien oder Berlin.
15 Autominuten vom Warschauer Hauptbahnhof entfernt steht die Sportarena Torwar. Rund 500 Frauen und Kinder aus der Ukraine finden dort Zuflucht. Zum Schutz der Menschen ist es nicht erlaubt, in der Arena Fotos zu machen oder zu filmen. Marek ist einer der vielen freiwilligen Helfer:innen vor Ort. Er nimmt sich kurz Zeit, um mir den Ort zu zeigen, obwohl er alle Hände voll zu tun hat. Im Eingang wurde ein kleines Restaurant eingerichtet. Auf den Tischen stehen bunte Tulpen. Fast alle Plätze sind belegt. Im Zentrum der Arena schlafen die Menschen auf Feldbetten, dicht aneinandergedrängt. Die wenigsten sind mit Masken ausgestattet und es hat auch schon Fälle von COVID-19 gegeben, berichtet mir Marek. Inmitten der aktuellen Corona-Pandemie ist die Hygieneversorgung der Geflüchteten einmal mehr eine große Herausforderung.
Wir kommen an einem Spielzimmer für Kinder vorbei, daneben ein Raum, in dem Mütter mit bis zu 3 Jahre alten Kindern Ruhe finden können. Marek erklärt mir, dass sie viele Sachspenden erhalten. In den letzten Tagen seien vor allem Windeln angekommen, mittlerweile fehle dafür der Lagerplatz. Deshalb haben sie über soziale Netzwerke nun Listen veröffentlicht, die anzeigen, welche Hilfsgüter in Torwar am dringendsten benötigt werden. Aktuell sind das zum Beispiel Flip-Flops, mit denen die Menschen in die Dusche gehen können. Wir kommen an einem Behandlungszimmer vorbei, davor sitzen einige Patent:innen. Auch psychologische Unterstützung wird hier geleistet. Wichtig sei diese vor allem nachts. Wenn die Frauen zur Ruhe kommen, beginnen sie all das Schreckliche zu verarbeiten, was sie in den letzten Tagen erleben mussten. Groß bleibt die Sorge auch um Familienmitglieder und Freunde, die sie in der Ukraine zurücklassen mussten.
Auf die Frage, warum er hier helfe, sagt mir Marek, dass er gerade arbeitssuchend ist. Er habe es nicht mehr ausgehalten zu Hause vor dem Fernseher zu sitzen, die furchtbaren Bilder des Krieges aus der Ukraine zu sehen und nichts zu tun. Er habe Angst, dass der Krieg auch nach Polen kommen könnte. „Trifft es meine Mutter und Schwestern, möchte ich, dass ihnen genauso geholfen wird. Deshalb bin ich jeden Tag hier und versuche an allen Ecken und Enden zu unterstützen“, erklärt er mir. Er macht sich aber auch Gedanken über die Zukunft. „Wenn ich einen Job finde, muss ich meine Stunden reduzieren. Ich merke auch, dass bei einigen freiwilligen Helfer:innen erste Ermüdungserscheinungen auftreten. Wir werden in Zukunft noch viel mehr und vor allem auch professionelle Unterstützung von Behörden und Hilfsorganisationen benötigen, um den Menschen hier langfristig helfen zu können.”
Ich bin beeindruckt von seinem Engagement und dankbar, dass er sich Zeit für mich genommen hat. Hier in Torwar leisten die vielen Freiwilligen wirklich Unglaubliches. Zurück im Hotel mache ich mir Notizen, die ich mit meinen Nothilfe-Kolleg:innen teilen werde. Mein Fazit: Hygieneprodukte, insbesondere für Frauen und Mädchen, und geschultes Hilfspersonal werden in den kommenden Wochen und Monaten essenziell sein.
Hier können Sie die Nothilfe für die Menschen aus der Ukraine mit Ihrer Spende unterstützen.