
In den Wänden eines mehrstöckigen Gebäudes in der Kleinstadt Luch im Süden der Ukraine haben Schrapnelle unzählige Löcher hinterlassen. In den größeren Löchern bauen Vögel ihre Nester und auch Balkone und verlassene Wohnungen sind zu Brutstätten geworden. Im Februar 2022 verlief die Frontlinie mitten durch die Stadt. Über acht Monate dauerte hier der Konflikt an. Kein einziges Haus blieb dabei unbeschädigt.
„Mehr als einen Monat lang lebten wir im Keller. Nur am Morgen, wenn der Beschuss etwas nachließ, liefen wir in unsere Wohnung, um zu duschen oder einige unserer Sachen zu holen. Wir schliefen auf Paletten, zusammen mit all unseren Nachbarn. Zu zwölft in einem 15-Quadratmeter-Keller. Aber bis zuletzt waren wir fest entschlossen, nicht zu gehen. Schon 2014 waren wir vor dem Krieg in Donezk geflohen und hatten hier ein neues Leben begonnen. Die Angst, erneut alles zu verlieren, war groß“, berichtet die 37-jährige Kateryna.

Erst als auch Katerynas Haus beschädigt wurde und der Beschuss zunahm, verließ sie gemeinsam mit ihrem Mann Serhii (52) und ihrer Tochter Yevheniia (15) die Stadt. „Während unserer Flucht erfuhren wir, dass ein Schrapnell unsere Garage getroffen hatte. Wären wir an diesem Tag nicht losgefahren, hätten wir keine Chance gehabt, die Stadt zu verlassen. Unser Auto hätte das nicht überstanden“, fügt Serhii hinzu.
Fast ein Jahr lang lebten sie in der Region Lviv. Im Juni 2023 beschlossen sie, nach Hause zurückzukehren. „Als wir in unsere Wohnung kamen, hatten wir kein einziges Fenster mehr“, erinnert sich Kateryna. „Tauben lebten auf dem Balkon. Ein Stück Schrapnell war bei einem Angriff quer durch die Wohnung geflogen und im Kinderbett stecken geblieben. Wie durch ein Wunder hatte es kein Feuer gefangen, denn sonst hätten wir nun keinen Ort mehr, an den wir zurückkehren könnten.“
Als Teil eines Verbunds mit weiteren Hilfsorganisationen, die vom Bureau for Humanitarian Assistance (BHA) von USAID unterstützt werden, tauscht CARE die Fenster von Wohnungen in der Stadt aus. „Wir haben drei Gemeinden ausgewählt und die Schäden bewertet. Leider sind viele Gebäude stark reparaturbedürftig. Wir führen nur leichte Reparaturen durch und ersetzen Fenster und Dächer ", berichtet Anna Vasylenko, regionale Projektkoordinatorin in der Südukraine. „Zwölf Wohnungen haben wir in der Stadt identifiziert.“

Aktuelle Herausforderungen
Anna Vasylenkos Kollegin Svitlana Ginzhul betont, dass die Unterstützung bei den Reparaturen entscheidend dafür ist, dass die Menschen allmählich in die Stadt zurückkehren können. "Wir haben jetzt wieder Strom und Gas. Wasser muss noch von außerhalb geliefert werden, aber auch das passiert. Die Internetverbindung wird wiederhergestellt. Doch die Schule und der Kindergarten in der Stadt sind zerstört. Öffentliche Verkehrsmittel fahren nur selten, weil es kaum Fahrgäste gibt. Arbeit gibt es hier auch keine und die Menschen haben keine Möglichkeiten, ins Stadtzentrum zu kommen, da sie keine eigenen Fahrzeuge haben. Humanitäre Hilfe und Sozialhilfen sind die einzige Möglichkeit, hier zu überleben. Etwa 25 Prozent der Menschen, die zurückkehren, können dies nur dank Unterstützung der Hilfsorganisationen“, erklärt Svitlana Ginzhul.
Auch in der Wohnung des 81-jährigen Leonid wurde erst kürzlich ein neues Fenster eingebaut. Aktuell lebt er noch in der nahe gelegenen Stadt Mykolayiv und ist extra nach Luch gekommen, um sich das neue Fenster anzusehen. Die Fahrt kostet ihn 800 Hrywnja – ein Viertel seiner bescheidenen Rente. „Ich lebe allein und meine Rente ist klein. Neue Fenster kann ich mir definitiv nicht leisten. Auch in einem Heim kann ich nicht lange bleiben. Eure Hilfe gibt mir Hoffnung, dass ich bald nach Hause zurückkehren kann“, erklärt er. Seine Wohnung ist noch nicht wieder bewohnbar, aber das neue Fenster ist ein Anfang. Wenn Leonid es öffnet, kann er dem Gesang der Vögel lauschen.


So wie Vögel nach sicheren Orten suchen, um ihre Nester zu bauen, sehnen sich die Menschen danach, in ihre Häuser zurückzukehren. An jene Orte, mit denen sie Erinnerungen und einst auch Sicherheit und Geborgenheit verbunden haben. Doch das Ausmaß der Zerstörung, die anhaltende Vertreibung und die damit verbundene finanzielle und emotionale Belastung sowie die Instabilität entlang der Frontlinie hält viele davon ab, den Weg zurück in die Heimat auf sich zu nehmen.
CARE und Partnerorganisationen setzen sich dafür ein, die humanitäre Lage in der Region zu verbessern und den Betroffenen zur Seite zu stehen. Angesichts der besonderen Wetterbedingungen ist die Reparatur von Fenstern und Dächern von entscheidender Bedeutung.
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