Von Theodora Vangi, Emergency Communications Officer von CARE Griechenland

Taher ist einer von 62.784 Asylsuchenden, die momentan in Griechenland festsitzen. Einer der Menschen, die dort in der Warteschleife hängen. Einer derjenigen, die von den Asylbehörden zwar registriert wurden, aber seitdem auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten. Taher dürfte dann zwar theoretisch in Griechenland arbeiten – aufgrund der Sprachbarriere und hohen Arbeitslosigkeit im Land ist das jedoch praktisch unmöglich.

Menschen sitzen in einem Gebäude und warten.

Leben als Geflüchteter in Griechenland

Taher ist ein talentierter, zielstrebiger junger Mann. Seine positive Energie hat mich direkt bei unserem ersten Treffen angesteckt. Als ich ihn nun zum zweiten Mal traf, wirkte sein Lächeln nicht ganz so fröhlich. Auf meine Frage nach seinem Befinden antwortet er mit einem aufrichtigen, aber bedrückten Lächeln: „Mir geht’s gut. Naja, nicht richtig gut. Aber okay.”

Taher floh aus der syrischen Stadt Aleppo und kam vor knapp einem Jahr nach Griechenland. Er hat Finanzmanagement und Marketing studiert, dann aber schnell seine Leidenschaft für das Kochen entdeckt. Seine Familie lebt noch in Aleppo.

Tahers Antrag auf Umsiedlung in ein anderes europäisches Land wurde abgelehnt. „Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien entschieden wird, wer Anspruch auf eine Umsiedlung hat, und wer nicht. Die Wahl wirkt willkürlich. Zuerst war ich deshalb wirklich aufgebracht, aber ich habe mich damit abgefunden.”

Taher im Stadtzentrum.

"Ich fühle mich hier nicht sicher"

Wir sitzen in einem kleinen Café in der Innenstadt von Athen. Direkt neben uns liegt ein streunender Hund auf der Straße und schläft. Taher streichelt ihn und fährt fort: „Die ganzen Pläne, die ich geschmiedet habe, funktionieren nicht. Ich musste immer wieder neu anfangen. CAREs Partnerorganisation PRAKSIS kann mich nicht ewig unterstützen. Viele Menschen sagen mir, ich solle mir keine Sorgen machen, es wird schon alles gut. Aber wie kann alles gut werden, wenn ich keine Arbeit finde? Das macht mir wirklich Sorgen. Ich fühle mich hier nicht sicher, weil ich jeden Moment alles verlieren kann.”

 

Als ich ihn so reden höre, möchte ich ihn gerne trösten, aber ich weiß, dass Worte hier nicht helfen können. Alle Asylsuchenden haben bereits so viel durchgemacht, sie brauchen keine tröstenden Worte oder leeren Versprechen. Sie wollen wissen, wie sie ihr Leben wieder in die Hand nehmen können. Wo sie leben und ihre Kinder in die Schule schicken können, wann sie umgesiedelt werden oder eben warum ihre Anträge abgelehnt werden. Je mehr Fragen unbeantwortet bleiben, desto größer ist ihre Unsicherheit.

„Ich versuche optimistisch zu bleiben, aber das fällt mir immer schwerer. Ich mag Griechenland sehr, aber die wirtschaftliche Situation zwingt selbst junge Griech:innen, das Land zu verlassen. In der Stadt sehe ich griechische Obdachlose. Die Situation ist für alle Menschen schwierig”, sagt Taher, und als junge Griechin weiß ich, dass er Recht hat.

„2016 war ein schwieriges Jahr, aber ich habe viel gelernt und neue Erfahrungen gemacht. Ich habe wundervolle Menschen getroffen, das hat mir sehr geholfen. Aber ich hoffe sehr, dass das nächste Jahr besser wird, für uns alle. Ich habe mein Ziel erreicht: ich bin in Sicherheit. Mein Vater sagt immer: ‚Denk daran, wie viel Glück du hast. Die Menschen hier in Aleppo können nicht einfach auf die Straße gehen; sie haben weder Wasser noch Strom. Wenn du jeden Tag Wasser hast, mit dem du dich waschen kannst, dann bist du ein glücklicher Mensch.’ Das gibt mir Kraft und erinnert mich daran, dass es mir eigentlich gut geht.”

Es ist eben nicht alles gut...

Ich freue mich über Tahers positive Worte. Aber ist das wirklich ein Happy End? Wir wollen immerzu positive Nachrichten hören, damit wir sagen können, dass wir alles richtig gemacht haben. Europa und seine Mitgliedstaaten, die europäischen Regierungen, internationale und lokale Organisationen, die Bürger:innen Europas, die Griech:innen, sie haben gute Arbeit geleistet. Für Asylsuchende wie Taher in Griechenland stimmt das aber leider nicht. Sie hängen nach wie vor in der Warteschleife fest – in Europa.

Mit den zunehmenden Konflikten auf der ganzen Welt, der weiterhin hohen Rate von Asylsuchenden und den steigenden Stimmen für rechtspopulistische Parteien in Europa bleibt noch viel Arbeit für humanitäre Organisationen in Griechenland und auf der ganzen Welt. CARE unterstützt mit Hilfe der Europäischen Kommission Asylsuchende wie Taher mit Bargeld und Unterkünften. Doch bis wir alles richtig gemacht haben, ist es noch ein weiter Weg. Noch immer fehlt ein langfristiger Plan für die Integration der Flüchtlinge. Aus diesem Grund ist mein Wunsch für das neue Jahr eine Unterstützung für Geflüchtete. In Tahers Worten: „Nicht die Menschen sind das Problem. Das Problem sind die Strukturen.

Weitere Informationen zu unserer Arbeit mit Geflüchteten finden Sie hier:

flucht und migration

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