Aleksandra Godziejewska war CARE-Projektleiterin in Griechenland, als die Fluchtbewegung von 2016 bis 2018 ihren Höhepunkt erreichte. Im Interview spricht sie über Fortschritte und persönliche Herausforderungen.

Alexandra blickt in die Kamera.

Aleksandra, mit welchen Erwartungen kamst Du nach Griechenland?

Ich habe vorher in einer Reihe anderer humanitärer Einsätze gearbeitet, unter anderem im Gazastreifen und in Somalia. Daher fand ich es zuerst ungewöhnlich, dass humanitäre Hilfe nun auch in der Europäischen Union notwendig sein sollte – wo es nach meiner Ansicht als Europäerin genug Ressourcen und Kapazitäten gibt, um einen plötzlichen Zustrom von Menschen zu versorgen. Persönlich war ich bereit für eine neue Aufgabe. Gleichzeitig habe ich gespürt: Das ist der richtige Zeitpunkt, mich mit den Menschen solidarisch zu zeigen. Die Geflüchteten haben bei der Fahrt über das Mittelmeer ihr Leben riskiert, nur um anschließend in Europa vor einer „Wand“ zu stehen, statt den ersehnten Zufluchtsort zu finden. Ich habe gehofft, dass Europa mit anderen Augen gesehen wird: als Kontinent, wo die Menschen hilfsbereit und voller Mitgefühl für das Leid der Geflüchteten sind. Denn dies ist ein kleiner Beitrag zu einer globalen Herausforderung.

„Es muss noch einiges getan werden“

Wie haben sich die Lebensbedingungen der Geflüchteten in Griechenland seitdem verbessert?

Zurzeit sind mehr als 21.000 Geflüchtete und Asylbewerber:innen in Wohnungen in den Städten untergebracht. Diese Zahl will die Regierung deutlich erhöhen. Fast 45.000 Geflüchtete erhalten jeden Monat finanzielle Unterstützung. Das war Anfang 2016 noch nicht so. Damals gab es vor allem provisorische Flüchtlingscamps. Allerdings gibt es auch heute noch Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen in überfüllten Einrichtungen leben, etwa auf den Inseln oder im Norden Griechenlands. In den letzten zwei Jahren hat sich mit der humanitären Hilfe der Europäischen Union viel verbessert. Doch es muss noch einiges getan werden.

Familie Haqyar im Camp.

CARE im Einsatz für Geflüchtete in Griechenland

Wie hat CARE zu den Verbesserungen beigetragen?

CARE hat sich von Anfang an auf die Städte konzentriert. 2016 halfen die meisten Organisationen in den offiziellen oder provisorischen Flüchtlingscamps. In den Städten brauchten die Menschen aber auch dringend Hilfe: Weil sie in Gemeinschaftswohnungen oder Gastfamilien wohnten, wurden sie häufig nicht berücksichtigt. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass auch die Menschen in den Städten im Rahmen des landesweiten Hilfsprogramms finanziell unterstützt werden. Wir haben uns auch mit den griechischen Organisationen PRAKSIS, Amurtel und Melissa zusammengetan. Gemeinsam boten wir rechtliche und psychosoziale Unterstützung an, stellten Unterkünfte für schutzbedürftige Frauen und junge Männer bereit. Wir dolmetschten und halfen bei bürokratischen Angelegenheiten.

Außerdem unterstützten wir werdende Mütter während und nach ihrer Schwangerschaft und kümmerten uns um die Opfer von sexualisierter Gewalt. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte und eigene Bedürfnisse. Deshalb haben wir versucht, die Menschen sehr persönlich und individuell zu unterstützen, ihr Geschlecht und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen. Als eine der ersten Organisationen haben wir schon früh betont, dass es eine langfristige Strategie braucht, wie sich die anerkannten Geflüchteten selbstständig, also ohne Hilfsmaßnahmen, versorgen können. Als Pilotprojekt haben wir ein paar anerkannte Geflüchtete in ein Sozialhilfeprogramm aufgenommen.

Welche Erinnerungen werden Dir im Gedächtnis bleiben?

Überraschenderweise war die Arbeit in Griechenland eine der vielfältigsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe. In unserem Team waren Leute aus der ganzen Welt. Natürlich hatte ich viele griechische und europäische Kolleg:innen, aber wir haben auch Migrant:innen und Geflüchtete eingestellt, die die anstrengende Reise und bürokratischen Hürden selbst erlebt hatten. Sie kamen aus Nordafrika, dem Nahen Osten und Asien. Es war wirklich eine schöne Erfahrung, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Ich bin dem ganzen Team sehr dankbar für alles, das wir gemeinsam geleistet haben.

Personen sitzen an einem Tisch und reden miteinander.

„Wir leisten vorübergehende Notfallhilfe“

Warum verlässt CARE Griechenland?

2018 ist ein Übergangsjahr, da das Nothilfeprogramm der Europäischen Kommission ausläuft. Die Koordination der meisten Projekte wurde an die Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen und lokale Hilfsorganisationen übergeben, so dass die internationalen Akteure nur noch eine begrenzte Rolle spielen. Während die griechische Regierung immer noch nicht bereit ist, die Führung zu übernehmen, stehen derzeit keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung, um unsere Aktivitäten fortzusetzen. CARE hat alle Anstrengungen unternommen, damit die angebotenen Dienste nicht wegfallen, sondern weiterhin von lokalen Organisationen angeboten werden. CARE hat seinen Einsatz in Griechenland als vorübergehende Notfallhilfe verstanden. Wir begrüßen die wachsende Rolle der lokalen Organisationen und Gemeinden, und hoffen zukünftig auf eine strategischere Führung der Regierung.

Was soll in den nächsten Monaten passieren?

Zunächst einmal wünsche ich mir eine bessere Welt, in der die Menschen nicht mehr wegen Gewalt und Hoffnungslosigkeit aus ihrer Heimat fliehen müssen, sondern aus anderen, guten Gründen frei ins Ausland gehen können – wie Bildung und Arbeit. Das klingt wahrscheinlich nach einem Traum. Doch ich wünsche mir, dass dieser eines Tages wahr wird. In der Zwischenzeit hoffe ich für die neu ankommenden Menschen auf ein würdevolleres Aufnahmesystem in Griechenland, mit einer effizienten, schnellen und fairen Bearbeitung ihrer Asylanträge und mit langfristigen Möglichkeiten für diejenigen, die bleiben möchten. Die Menschen sollen sich in den Arbeitsmarkt integrieren können. Damit die Kinder eine Chance bekommen, die ihre Eltern nicht hatten, als sie ihre Heimat verlassen mussten.

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Flucht und Migration